Im Valle Susa durften wir einige der längsten Uphills der Alpen befahren und dabei eines der umfangreichsten historischen Wegenetze erleben. Erste Spuren davon reichen satte 2000 Jahre zurück in die Vergangenheit. Eine Woche Sommerwetter, Trailgenuss vom Feinsten, gutes Essen und wunderbare Emotionen mit meinen Bikefreunden im Herzen der Piemontesischen Bergen. Alles was das Bikerherz begehrt.
Der erste Tourentag führt uns ins Grenzgebiet zwischen den Cottischen und den Grajischen Alpen. In kaum einer anderen Alpenregionen führen historischen Wege in so hohe Lagen wie im über 70 Kilometer langen Valle Susa. Der Höhenunterschied vom höchsten zum tiefsten Punkt beträgt satte 3000 Höhenmeter, entsprechend spektakulär und abwechslungsreich ist es für uns Biker. Auf Hannibal’s Spuren überqueren wir heute den Alpenhauptkamm. Unsere Route gleicht einer Zeitreise durch die verschiedene Geschichtsären dabei staunen wir über die Wegebaukunst vergangener Zeiten.
Im Herbst 218 v.Chr. überquerte der Karthagische Heerführer Hannibal auf diesem Weg die Alpen. 14 Tage benötigte er um mit seinen 30’000 bis 50’000 Mann, 9000 Reiter und 37 Elefanten ins Susatal zu gelangen. Auf diesem Plateau hat er sein letztes Lager aufgeschlagen bevor er den langen Abstieg in Angriff nahm.
Während im oberen Teil die Abfahrt eine faszinierende Herausforderung ist, so wurde der Weg im unteren Teil, durch heftige Unwetter arg in Mittleidenschaft gezogen. Ob er jemals wieder in Stand gestellt wird, steht in den Sternen. Ich hoffe es – denn dieser Übergang ist einer der geschichtsträchtigsten überhaupt.
Kilometerlang biken wir auf einem 1886 erbauten Militärsträsschen in die Höhe. Mehrere Fords aus dem 19. Jahrhundert liegen am Weg. Imposante Felswände und ein stockfinsterer Tunnel faszinieren. Wir biken auf über 2800 Meter und werden mit einer spektakulären Sicht ins Pellvoux Massiv belohnt. Wir blicken hinüber zur Barre des Ecrins, sie ist mit 4102 m der südlichste 4000-er der Alpen. Danach folgt eine unendliche Trailabfahrt die jedes Bikerherz höher schlagen lässt.
Es führen viele Wege zu diesem einzigartigen Hochgebrigsziel. Nach diesem Kredo erklimmen wir auf einer maximal spannenden Route die höchste historische Militärfestung der Alpen. Der Gipfel auf über 3100 Metern ist die grösste Challenge, der man sich als Biker in den Westalpen stellen kann. Der Zahn der Zeit nagt am alten Wegetrassee. Mit Bärenkraft und kleinsten Übersetzungen ist nach wie vor ein Grossteil fahrbar – ein ultimativer Kraft- und Konditionstest, der durch die dünne Luft zusätzlich verschärft wird. Mit jedem Höhenmeter wird das Panorama spektakulärer. Ganz zum Schluss würde bei klarsten Bedingungen die Sicht gar bis zum Mont-Blanc reichen. Heute begnügen wir uns mit dem Pellvoux Massiv (südlichster 4000-er) im Westen, dem Rocciamelone (höchster Wallfahrtsberg mit 3520m) im Norden und mit einer atemberaubenden Perspektive in die tief unter uns gelegenen Täler. Es ist nun das siebte Mal, dass ich mit meinem Bike diesen Berg erklommen habe – jedes Mal war es eine ultimative Herausforderung, welche auf dem Gipfel mit einem wunderbaren Glücksgefühl gekrönt wurde.
Im Schnittpunkt zwischen dem Valle Susa und dem okzitanischen Valle Chisone erwarten uns unzählige Trails. Während sie im Valle Susa gut gepflegt sind, so sind sie im Chisone Tal deutlich wilder. Seit 1-2 Jahren werden die alten Wege wieder «reanimiert», resp markiert. Da am Nachmittag Gewitter angesagt sind stelle ich die Tour etwas um. Unendlich lange Höhentrails mit faszinierenden Aussichten. Stundenlanges «Trailen» wie es schöner nicht sein kann. Ich liebe das Piemont!
Über drei Pässe geht’s heute in die hintersten Talschlüsse der gottverlassenen Waldensertäler. Die Waldenser sind eine protestantische Glaubensgemeinschaft, die ihren Ursprung im 12. Jahrhundert in Südfrankreich hatte. Während des Mittelalters wurden sie von der katholischen Kirche verfolgt. Zuflucht fanden sie in den schwer zugänglichen Valli Chisone, Germanasca und Pellice. Nach dem dritten und letzten Pass öffnet sich ein Tal, in welchem sich ein wahrer Bilderbuch-Trail hinunterschlängelt. Abwechslungsreich und verspielt inmitten einsamster Gebirgslandschaft. Ein nahezu unendliches Trailfinale fernab jeglicher Zivilisation. Ich vermute, dass es einer von diesen sagenumwobenen und „geheimen“ Waldenser-Wegen ist.
Im Grenzgebiet der Cottischen Alpen und der Dauphine ändert sich das Landschaftsbild innerhalb von wenigen Metern. Schon bald fährt man über ein trockenes, steiniges und baumloses Hochplateau, welches mich etwas an die Steppenlandschaft am Kilimanjaro erinnert. Ähnlich schnell ändert sich die Vegetation und Geologie wieder auf der anderen Kammseite – dann fliegt man nämlich auf herrlichen Trails durch üppige Alpweiden und später durch lichte Tannenwälder dem Tal entgegen. Bei einem herrlich gelegenen Rifugio stärken wir uns bevor uns der letzte Uphill dieser Woche erwartet. Selbstverständlich gefolgt mit kilometerlangen Singletrails. In dieser Woche wurden wir auf lange Aufstiege geeicht – ein Uphill unter 1000 Höhenmeter wurde inzwischen zur «Bodenwelle» 😉
Ueli, an dieser Stelle ein riesiges Danke für ein hervorragendes Co-Guiding der Plaisirgruppe. Ganz lieben Dank an euch alle für die gemeinsamen Berg- und Trailerlebnisse im Valle Susa. Mountainbiking a la Westalpen mit Emotionen die ganz, ganz tief gehen! Una grande grazie mille a tutti!
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