Kilometerlange Trails führten uns über malerische Gebirgslandschaften, mitten durch riesige Felder von intensiv duftenden und blühenden Alpenrosen. Die dreitausend Meter hohen Felszacken sind zum Greifen nah und wirken wie zu Stein erstarrte Flammen. Nicht umsonst heisst es, dass die Dolomiten das schönste Gebirge der Welt sind. Es ist ein Privileg die Dolomiten mit dem Bike zu «erfahren» – ein Erlebnis welches tief beeindruckt und für immer prägt.
Am ersten Tourentag ist das Wetter durchzogen – vor allem am Nachmittag sind starke Niederschläge mit Gewittern vorausgesagt. Eine Tour in hohe und exponierte Lagen ist zu heikel. So fahren wird die «Erholungs-Tour» welche am Mittwoch geplant gewesen wäre. Diese Tour mit einer Hauptschleife gefolgt von zwei kleineren Schleifen kann ich an vielen Stellen abzukürzen und wir wären schnell zurück beim Hotel. Nichtsdestotrotz, erwartet uns ein klassischer Trailtag. Ein Trail reihen wir an den nächsten – nur das Panorama versteckt sich ein wenig. Denn gegenüber von uns liegen die Gipfel der so genannten „Sextner Sonnenuhr“. Dies sind eine Reihe von Berggipfeln die als Skalenpunkte einer am Horizont denkbaren Sonnenuhr dienen. Jeweils um eine Stunde verschoben steht die Sonne über einer dieser Gipfeln. Diese Übereinstimmung gab in früheren Zeiten der Bevölkerung Sextens die Tageszeit an.
Am zweiten Tourentag erwartet uns eine klassische Gipfelfahrt. Hoch über dem Höhlensteintal zählt er zu den schönsten Panoramabergen im Herzen der Sextener Dolomiten. Mit viel Kraft ist der Gipfel komplett fahrend zu schaffen. Rechts von uns das Cristallo-Massiv, der Hausberg von Cortina d’Ampezzo und links ragen die imposanten Nordwände der drei Zinnen in den Himmel. Wobei die Gipfel heute von Wolken umgeben sind. 500 Meter sind sie hoch und gelten als Wahrzeichen der Dolomiten. Kaum ein Sonnenstrahl berührt während des ganzen Tages diese Nordwände. In der westlichen Zinne gibt es bis zu 40 Meter lange überhängende Passagen. Insgesamt ragt diese Zinne gar 160 Meter über den Wandfuss hinaus und gilt somit als «das grösste Dach der Alpen».
Nun rauschen wir durch ein enges und gut verstecktes Tal zurück ins Höhlensteintal. Das schmale Weglein wurde neu in Stand gestellt und ist mit einer sehr versierten Technik fast komplett fahrbar. Bikefeeling vom Feinsten…
Über eine grosse Distanzen biken wir heute auf einem aussichtsreichen Kammrücken. Der Trail verläuft exakt auf der Grenze von Südtirol und Veneto. Rechts von uns das Sextener-Dolomiten-Panorama, links von uns die Karnischen Alpen mit dem Crode dei Longerin und vor uns die mächtigen Felsflanken des Monte Brentoni Massivs. Ein Tourentag mit stundenlangem Trailgenuss und das Ganze 1000 bis 1500 Meter über dem Talboden.
Unbemerkt fahren wir dabei über die Sprachgrenze hinüber in die Provinz Veneto. Die Räter waren die ersten, welche nach der Eiszeit – vor rund 10’000 Jahren – diese inneralpinen Täler besiedelten. Einige Sprachinseln dieser Urbevölkerung konnten sich bis heute erhalten. Es ist das Rätoromanische in Graubünden, das Ladinische im Herzen der Dolomiten und das Friaulische hier im Nordosten Venetiens. Friaulisch wird heute kaum mehr gesprochen, aber bei Ortsbezeichnungen oder Bergnamen ist die Sprache bis heute präsent.
Der vierte Tourentag ist der «Drei Zinnen-Tag». Er führt uns ins Herz dieser tief beeindruckenden Gebirgswelt. Hinter uns türmen sich die drei Zinnen gen den Himmel. Vor uns ist die Cadini Gruppe welche genau so spektakulär ist. Sie bilden den südlichen Abschluss der Sextener Dolomiten und gelten als Paradies für Kletterer.
Die Kombination von dieser spektakulären Alpenlandschaft, verbunden mit den alten Militärwegen welche über aussichtsreiche Kämme wie auch mitten durch wildeste und tief eingeschnittene Gebirgstäler führen, ist einmalig wie einzigartig.
Heute erleben wir ein Trail, der sich exakt an der Grenze von Süd- und Osttirol entlang schlängelt. Auch wenn weit von der Front entfernt, bauten die Österreicher hier im Ersten Weltkrieg diverse Geschützstellungen, Unterstände und Kavernen. Nach dem ersten Weltkrieg wurde der neue Grenzverlauf von Italien und Österreich dann exakt auf diesem markanten Kamm festgelegt. Wir werden von unbekannten Militärsteigen und einem der schönsten Sextener Dolomiten-Panoramen verwöhnt. Waghalsige, knackige, spektakuläre und enorm aussichtsreiche Trails führen uns durch steile Wiesenflanken. Sie sind Zeugen, wie strategisch wichtig dieses Gebiet war.
Die Wetterprognose lässt unsere geplante Biketouren nicht zu. Heftige Gewitter und intensiver Regen sind bereits am Vormittag prognostiziert. Gestern Abend schaute es noch besser aus – jedoch ist die angekündete Wetterfront wesentlich schneller unterwegs und ich stelle wenige Minuten vor dem Start die Tour noch mal komplett um. Und so erwarten uns hier am bekannten Kreuzbergpass ein paar schöne Trails in tieferen Lagen. Der Entscheid einer kurzen Tour war richtig, denn bereits wenig nach unserer Ankunft entladen sich heftige Gewitter.
Da die Dolomiten nicht den Alpenhauptkamm darstellen hatten diese Übergänge nur lokale, allenfalls regionale Bedeutung. Umso wichtiger war jedoch ihre Rolle im ersten Weltkrieg, weshalb hier sehr viele und enorm spektakuläre Militärsteige entstanden sind. Genau sie ermöglichten uns während dieser Woche, mit dem Bike in dieses einzigartige Dolomiten-Landschaftskino einzutauchen.
Der ganzen Sextener Bikegruppe und auch Guide Markus ein riesiges Danke für diese wunderbare und emotionale Bikewoche im Herzen der Dolomiten. Es war wunderschön mit euch zusammen diese Emotionen und den Bikespirit zu erleben. Una grande „grazie mille“!
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