Kurz bevor die Alpen im Westen das Meer erreichen, zeigen sie im gewaltigen Mercantour- und Argentera-Massiv nochmals ihr „unbändiges Temperament“. In diesen wilden, unbekannten und zerklüfteten Tälern erlebten wir pures Bikespektakel. Stundenlanges Trailriding und täglich ein Feuerwerk an Landschafts-Zenerien. Kraft, Technik und Kondition wurden mächtig gefordert – verwöhnt wurden wir dafür mit einer gewaltigen Portion Alpen-Abenteuer!
Atemberaubenden (Trail)-Dimensionen, wie hier hoch über dem Tineé-Tal, waren an der Tagesordnung. 90 Minuten dauerte diese anspruchsvolle Abfahrt bis wir den Talboden erreichten. Die zweite Trailabfahrt an diesem Tag war dann doppelt so lange…
Der erste Tourentag führt uns noch durch die Provenzalischen Alpen. Die Landschaft, ist im Gegensatz zu den noch folgenden Seealpen weich geschwungen und die Trails haben enorm viel Flow. Ganze 45 Minuten rauschen wir förmlich dem Tal entgegen. Unten angekommen können wir kaum fassen was wir erlebt haben. Schwer vorstellbar, aber es ist die kürzeste Trailabfahrt der gesamten Tour. Eigentlich ein würdiger Etappen-Abschluss, aber einen Höhentrail kenne ich noch und mit diesem wird die Etappe vollends gekrönt.
Am zweiten Tag biken wir durch eine besonders weit abgelegene Alpenregion. Auf einer schmalen Passstrasse erreichen wir den unscheinbaren Einstieg. Es ist der Beginn eines vier Stunden langen Trails durch Täler, über Plateaus und Pässe. Steilstufen fordern Kraft und die Natur zieht uns tief in ihren Bann. Die Baumgrenze haben wir längst hinter uns gelassen. Steinmänner markieren die Route durch die endlos scheinenden Weiten. Dieser Übergang ist der höchste Punkt der gesamten Tour. Ab hier beginnt nun definitiv der Cross der super langen Trail-Abfahrten!
Mediterranes und hochalpines Gelände verbinden sich heute zu einem Bikespektakel, das auch in den Bereichen Geologie und Landschaft Massstäbe setzt. Was wir hier auf diesem Trail erleben, ist schwer in Worte zu fassen. Berge, Fels, Stein und Erde sind durch den hohen Eisenoxidgehalt tief rot. 260 Millionen Jahre alt sind diese Felsformationen und somit etwa vier Mal älter als der Rest des Alpenbogens. Die tiefrote Umgebung steht in einem faszinierenden Kontrast zu den intensiven Grüntönen der Pflanzen. Das ganze Gelände hat Dutzende von Geländestufen, die wie Balkone übereinander liegen. Die geschickte Weganlage nutzt diese Balkone für einen äusserst eleganten Wegverlauf mit nur wenigen Höhenmetern.
Auf einem alten Militärweg spüren wir ein Teil der alten Alpenmaginot-Linie auf. Zu Gefechten kam es hier glücklicherweise nie. Zurückgeblieben ist für uns aber ein kilometerlanger Trail der uns über Kreten und Pässe gen Osten führt. Es ist die Königsetappe und wir sind bereits kurz nach sieben Uhr auf dem Bike und erleben die faszinierende Stimmung der aufgehenden Sonne 1600 Meter über dem Talboden. Ganze zwölf Stunden sind wir heute unterwegs bis wir unser Ziel im Vesubie Tal erreichen – davon verlaufen sieben Stunden auf anspruchsvollen Trails. Unser Betreuer und Koch Ramesh versorgt uns wie immer „on-Tour“ mit einem hervorragenden Mittag-Essen ab der Feldküche. Dies gibt uns Kraft für die über 3000 Höhenmeter im „knackigen“ Gelände.
Bikespirit pur in endlos scheinender Einsamkeit. Der Bergfrühling ist dieses Jahr zwei bis drei Wochen später als gewohnt. Wir geniessen die Blumenpracht und die intensiven Düfte. All unsere Sinne werden verwöhnt und lassen uns ganz tief abtauchen in unser Alpencross-Abenteuer.
Heute kommen wir nah ans Zentrum des Mercantour Nationalparks. Das grösste Mysterium dieses Parks ist der «heilige Berg» Mont Bégo. Mit 35‘000 Felsbildern gilt der Ort als eine der grössten Fundstätten an Felsbildern in Europa. Dass es sich um eine Region mit atemberaubenden Mythen handelt, zeigen Namen wie Val d’Enfer (Tal des Infernos), Cime du Diable (Gipfel des Teufels), Vallée des Merveilles (Tal der Wunder), Vallée de Fontanalbe (Tal der weissen Quelle) oder la Valmasque (Tal der Zauberin).
Unser Weg überquert den Alpenhauptkamm und bringt uns mit dieser Abfahrt zurück ins Piemont. Wir erleben die Seelapen in einer besonders beindruckend-wilden Form. Von den Dimensionen werden wir richtiggehend aufgesaugt – fast drei Stunden rauschen wir nun dieses Tal hinaus bis wir unser Ziel erreichen. Wir geniessen jeden Meter, wir sind überglücklich und am Ende aber auch traurig, dass dieses Erlebnis vorbei ist. Grazie mille euch allen für all diese Momente und diesen Gruppenzusammenhalt – dies war Bike-Spirit vom feinsten!
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