Unvorstellbare Trailschätze, inmitten einer Naturlandschaft welche wie ein Garten Edens anmutet. Die Art und die Anlange dieser kilometerlangen Trails sind einzigartig im Alpenraum. Wir bikten durch das Bio-Tal Frankreichs und tauchten dabei tief in die Geschichte der Hugenotten ein. Immer wieder geniessen wir atemberaubende Tiefblicke in die verwinkelte Talschaft. Täglich wägen wir uns in einem wahr gewordenen Trail-Traum. Nach diesem Camp kennen wir die Steigerung von Singletrail… es ist der „Hugenotten-Trail“.
Am ersten Biketag geht es in die weitverzweigte Landschaft des oberen Diois. Unzählige Übergänge und Täler erwarten uns. Wir fahren auf den alten Verbindungswegen, welche einst die abgeschiedenen Dörfer und Alpen miteinander verbanden. Die Abwanderung im 19. Jahrhundert war gnadenlos und so haben wir diese Welt nahezu für uns alleine. Bei gutem Hinsehen können in den Buchsbaumwäldern noch alte Gebäuderuinen oder Terrassierungen entdecken. Sie sind Zeugen einer längst vergangenen Zeit. Trail und Trail nehmen wir mit und weil es so schön ist, bauen wir noch einen Bonus-Loop ein.
Im 13. Jahrhundert wurde das Diois mit neuen Ideen von waadtländischen «Hausierern» (Waldenser aus Waadt) und seit dem 16. Jahrhundert mit dem lutherischen und calvinistischen Protestantismus konfrontiert. Mitte des 16. Jahrhunderts war der „neue“ Glaube so fest verwurzelt, dass das Diois bis in die Neuzeit zur Hochburg der französischen Protestanten wurde. Ab ca. 1560 war dann die gebräuchliche Bezeichnung hierfür „Hugenotten“.
Das Wetter ist dynamisch und fordert mich heraus. Eine Herausforderung, welche ich gerne annehme weil es mich fasziniert das Wetter zu «lesen» und mit vielen verschiedenen Möglichkeiten und Optionen zu spielen. Und so fahren wir heute eine Tour in Form eines vierblätterigen Kleeblattes. Vier Aufstiege sind geplant – jeder kann nach Belieben und Wettersituation weggelassen werden. Die Trails führen zu den beeindruckenden Glandasse-Felsen. Es ist das Ende des riesigen Vercorsmassiv welches hier im Süden in Form von beeindruckenden Felsfluchten ins Tal stürzt. Diese Täler hatten bei der Hugenotten-Verfolgung eine wichtige Rolle gespielt. Bis heute existieren noch viele der alten Fluchtwege. Denn Louis XIV annullierte 1685 das Edikts von Nantes welches 1598 vom König Henri IV ausgearbeitet wurde und den Hugenotten religiöse Toleranz und volle Bürgerrechte zusicherte. Ab nun begann bis zur französischen Revolution (1798) eine Unterdrückung welche immer mehr zu einer Verfolgung wurde. Wer erwischt wurde mussten mit der Galeerenstrafe, dem Kerker oder gar dem Galgen rechnen. Protestantische Kirchen wurden geschlossen und zerstört. Wer konnte, der flüchtete.
Am dritten Tourentag biken wir auf dem alten Weg der Schafhirten hoch auf das riesige Vercors-Plateau. Das Wetter muss bei diesem Unterfangen stimmen. Nicht selten befindet sich hier eine der beeindruckendsten Wetterscheiden, welche ich kenne. Mit 170 Quadratkilometern ist es das grösste Naturschutzgebiet Frankreichs. Während des Zweiten Weltkriegs war das verwinkelte Karst-Plateau mit seinen vielen Höhlen ein wichtiges Zentrum der Résistance. Es war Rückzugs-, Ausbildungs-, Lazarett- und Versorgungsgebiet von ca. 4000 Partisanen, die vor allem im Rhônetal und in den Alpen Überfälle organisierten. Ein unendlich langer Trail bringt uns von den Hochebenen wieder zurück ins provenzalisch anmutende Diois. Mit 1100 Tiefenmetern ist dies die längste Abfahrt hinunter ins Tal der Drôme. Bis heute ist der Trail-Einstieg kaum auffindbar – zuerst durch Laubwälder und schliesslich durch Koniferenwälder fliegen wir geradezu ins Tal hinunter. Bei der atemberaubenden Aussicht in unser verwinkeltes Tourenrevier fällt es schwer sich auf den Trail zu konzentrieren.
Heute befahren wir einer der längsten Trails. Berghoch wie bergab. Im wilden Hinterland von «Die» schweifen die Blicke links über die liebliche Talschaft und rechts zu den mächtigen Felsen des Glandasse empor. Wir tauchen hinein ins wilde Hinterland, das einst dank dem grossen Waldreichtum begehrt für die Holzkohle war. Wenn man genau hinschaut, sieht man bei den abgelegenen Bauernhöfen noch kleine Friedhöfe mit bloss zwei Gräbern. Auf staatlichen erlass von 1662, durfte die Beisetzung eines Hugenotten nur noch ausserhalb des Gemein-Friedhofs, vor Sonnenaufgang oder nach Sonnenuntergang, erfolgen. Dies führte zum Brauch, der Beerdigung in «eigener, von Gott gegebener Erde». So findet man auch heute noch vereinzelt diese privaten Friedhöfe in der Nähe alter Gehöfte.
Wir «pflücken» auch heute Trail-Juwel um Trail-Juwel und können unser Glück kaum fassen. Und das Beste zum Schluss… ein fulminantes Trailfeuerwerk das uns für immer in Erinnerung bleibt. Biken ist das Schönste was es gibt!
Rund um den Hauptort «Die» erwarten uns eine besonders grosse Fülle an faszinierenden Hugenotten-Trails. Aber auch eines der schönsten Panorama zu den gegenüberliegenden Glandasse-Felsen findet sich hier. Wir reihen ein Trail an den nächsten – rauf und runter – und fahren dabei durch eine archaische wie auch lieblich bewirtschaftete Alpenregion. Auf engstem Raum kommen atemberaubend viele Landschaftstypen zusammen. Diese Trails sind so unglaublich schön, dass sie niemals zu Ende gehen sollten. Es ist kaum zu glauben welche Meisterleistung die Wegebauer hier vollbrachten. Teilweise führen die Wege durch senkrechte Felswände und erinnern an Militärsteige aus den Dolomiten. Die Steigungen der Trails sind aussergewöhnlich gleichmässig und in dieser Art einmalig in den Alpen. Mit ein Grund, dass man diese Trails auch kilometerlang berghoch fahren kann.
Rund um das historische Châtillon-en-Diois erwartet uns eine Fülle von Trails. Wenn man sie alle mitnimmt, dann gibt es heute die Königsetappe. Jeder der vier Uphills mit seiner dazugehörenden Abfahrt ist ein Highlight und so ist es klar, dass man einfach alle mitnehmen sollte. Jeder kann jedoch so viel machen, wie er möchte. Denn nach jeder Trailschleife kann man aussteigen. Das „grande Finale“ wartet mit dem 45-Spitzkehren-Trail. Ihn komplett zu fahren ist eine Meisterprüfung im Bereich des Hinterrad-Versetzen.
So faszinierend die Trails sind, so schön ist die Vegetation. Das Diois ist bekannt für die Herstellung natürlicher Produkte wie Kräuter, Oliven, Walnüsse, Esel-, Ziegen-, Wildschweinwurst, Lavendel-, Akazien-, Tannen-, Kastanienhonig, Ziegenkäse oder Lavendelöl. Aber auch Obstsorten wie weisse Pfirsiche, Melonen «de Cavaillon», Erdbeeren, Kirschen usw. Speziell ist vor allem auch das aus der Region stammende Nougat, die Trüffel-Pralinen und Trüffel-Pilze, Lammfellerzeugnisse und der Clairette wie auch andere Weine. Nicht umsonst gilt die Region als Bio-Tal von Frankreich. Mir kommt es vor wie im Paradies – vor allem wenn wir dann am Abend von unseren Gastgebern mit diesen lokalen Produkten kulinarisch verwöhnt werden.
Eine wunderschöne Tourenwoche mit intensiven Eindrücken und vielen emotionalen Momenten bleibt mir für immer in Erinnerung. Merci beaucoup euch allen für diese einzigartige Zeit die wir zusammen im Diois geniessen und erleben durften.
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