Auf den Wegen der Säumer, Walser, Partisanen, Pilger, Hirten und Söldner bikten wir aus der Innerschweiz über die Alpen zum Lago Maggiore. Bei edelstem Herbstwetter fuhren wir auf historischen Wegen wie durch ein offenes Geschichtsbuch. Keine 150 Jahre nachdem der Saumverkehr endgültig zum Erliegen kam, erlebten wir auf diesen alten Routen ein wahres Trail- und Gebirgsspektakel.
Die Sbrinzroute beginnt in Stansstad am Vierwaldstättersee. Hier wurde das Saumgut von den Schiffen auf die Maultiere umgeladen. Weiter ging es auf dem Landweg Richtung Süden. Es gab verschiedene Routen, Strecken-Anpassungen waren zur Zeit der Säumer gang und gäbe. Wegen der kleinräumigen politischen Gliederung und deren ständiger Veränderung, gab es immer wieder neue Zollstationen, welchen man ausweichen wollte. Aber auch kriegerische Auseinandersetzungen oder Belagerungen von wichtigen Übergängen führten zu beschwerlichen Ausweichrouten. Ich wähle die längere Ost-Variante weil der Trailanteil höher ist und die historischen Wegabschnitte besser erhalten sind.
Der erste Tag zeigt schon mal was uns Konditionell, fahrtechnisch und Trailmässig erwartet. Wir tauchen ein in die wildesten und spektakulärsten Landschaften der Zentralschweiz. Das stabile Hochdruckwetter mit Sonne pur verwöhnt uns und lässt viel Zeit, um die Landschaftsszenerie zu geniessen.
Die ersten Sonnenstrahlen beleuchten die Alpen. Hoch über dem Tal starten wir mit einer knackigen Abfahrt in den Tag hinein. Im Talboden folgen schon bald alte Routen und Wege. Über Jahrhunderte sind diese entstanden. Vor allem im 16. Jahrhundert, als grössere Kunstbauten möglich wurden, entstanden neue Möglichkeiten und der Saumverkehr nahm kontinuierlich zu. Einzelne historische Wegabschnitte sind noch prächtig erhalten, auf ihnen tauchen wir hinein in die Vergangenheit und erkennen Spuren längst vergangener Zeiten.
Der Herbst zeigt sich von der schönsten Seite. Sommerliche Temperaturen verwöhnen uns, genauso wie die wunderbaren Trails. Auf ihnen gleiten wir mal flowig, mal fordernd über die Berge Richtung Süden.
Was für ein Tag… Der dritte Tourentag führt uns über die höchsten Übergänge ins glazial geprägte Hochgebirge. Mehr und mehr macht sich auch der Einflussbereich der Walser bemerkbar, welche im 12. Jahrhundert ihre alte Heimat – das Goms – verlassen hatten, um neue Siedlungsräume aufzusuchen. An vielen Orten prägten sie in diesen Zeiten den Saumhandel. Sie gehörten nicht nur zu den versiertesten Wegebauern dieser Epoche. Sie waren es sich auch gewohnt mit Vieh und Last über höchste Pässe zu gehen und waren dementsprechend erfahren im Umgang mit Natur und Wetter.
Wir erreichen die Lepontinischen Alpen – stundenlanges Trail-Biken ist angesagt. Atemberaubend und spektakulär! Immer wieder warten kurze knackige Herausforderungen – genau das richtige für unsere versierte und starke Gruppe. Fels und Gletschereis sind zum Greifen nah. Diese alte Route war beim Saumhandel wie auch beim Söldnerwesen gleichermassen beliebt. Unweit von hier befand sich einst ein wichtiges Hospiz, wo sich die Wege Richtung Süden oder Westen trennten. Güter wurden umgeschlagen und es herrschte reges Treiben.
Die «offizielle» Sbrinz Route ist längst zu Ende, meine Route führt jedeoch weiter bis nach Locarno. Auf alten Mulattieras, auf welchen einst die Spazzacamini nach Mailand verbannt wurden, biken wir gen Osten. Versteckte Wege der Partisanen und alte Wege des frühen Bädertourismus leiten in die Schweiz. Wir tauchen ein in die verwinkelten, steilen und schwer zugänglichen Täler der Lepontinischen Alpen. Weit abgelegen hatten sich hier im zweiten Weltkrieg die Partisanen verschanzt. Vor 80 Jahren gab es hier ein bewaffneter Grenzkonflikt zwischen der Schweiz und Italien da Partisanen vor den Faschisten in die Schweiz flüchteten.
Wildes Niemandsland öffnet sich. Was nun folgt ist Abenteuer pur. Etwas Durchhaltewillen ist gefragt aber dann folgt ein unglaublich faszinierender Trail der bis heute ein absoluter Geheimtipp ist. Gut möglich, dass wir dieses Jahr die einzigen Biker sind welche hier unterwegs sind. Durch dutzende von Serpentinen schlängeln wir uns immer weiter ins tief eingekerbte Tal hinunter. Kaum ein Sonnenstrahl berührt den Talboden. Weiter geht’s… Schon bald rasant und zum Schluss hin wiederum auf historischen Wegen Richtung Lago Maggiore zu unserem Ziel.
Ganz herzlichen Dank Urs für deinen Betreuereinsatz, ganz herzlichen Dank euch allen für dieses gemeinsame Abenteuer das ich mit euch zusammen erleben durfte. Ein Abenteuer welches mich auch zurück in meine Anfangszeiten des Bikens führte. Una grande grazie Mille.
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