Aus dem Apennin in die Alpen (14. bis 21. Juni)

Ligurien heisst „mare e monti“. Über eine Distanz von 300 km, geht es von der Küste direkt und steil hinauf, ins wilde ligurische Gebirge. Nur wenige Kilometer von der Küste landeinwärts erwartete uns eine einsame Bergwelt mit endloslangen Trails. Die Natur gibt den Takt vor, der Mensch hat sich zurückgezogen, es ist die Heimat des Wolfs.
Eine kaum überschaubare Vielfalt an Tälern, Kämmen und verstreuten Bergdörfern machte die Orientierung zur Herausforderung. Verlässt man die völlig verwinkelten Täler und erreicht die höchsten Erhebungen, dann „ordnet“ sich das Landschaftsbild auf wunderbare Weise. Immer wieder wurde der Blick frei auf die Küste. Aufgeteilt in die „Riviera di Ponente“ im Westen (Sonnenuntergangs-Küste) und in die „Riviera di Levante“ im Osten (Sonnenaufgangs-Küste).
Das enorm abwechslungsreiche und wilde Hinterland der Mittelmeerküste hat uns tief in den Bann gezogen. Eine Tour, die uns mitten hineinführte, in eine Region, wo die Uhren längst stehen geblieben sind. Von La Spezia traversierten wir fast das gesamte ligurische Gebirge bis nach Finale Ligure. Vom Apennin in die Alpen – von der Riviera Levante bis zur Riviera die Ponente.


La Spezia liegt am östlichen Ende der Riviera di Levante nur wenige Kilometer von der Toscana entfernt. Hier startet unser ganz grosses Abenteuer mitten durch eine kaum bekannte Gebirgsregion. Diese Küstenlandschaft, zählt zu den schönsten Italiens. Mehrere hundert Meter fallen die Berge steil zum Meer hin ab. Es sind die Cinque Terre. Bereits zur Römerzeit siedelten Menschen in diesen kaum zugänglichen Küstenabschnitten. Die unwegsame Lage bot dafür einen idealen Schutz vor Feinden und Räubern. Im Laufe der Jahrhunderte entstand eine einzigartige Terrassenlandschaft. Rund 8000 Kilometer Steinmäuerchen verteilen sich über die Steilküste. Während in den tiefen Lagen Wein, Oliven und Zitronen gedeihen, führen unsere Trails in den hohen Lagen durch verwunschene Kastanienwälder. Flow pur geniessen wir auf diesen kilometerlagen Trails. Und immer wieder geniesst man hoch über der Brandung eine abenteuerliche Aussicht über den Golf von Ligurien.


Am zweiten Tag geht es kontinuierlich landeinwärts. Auf dem Monte San Nicola blicken wir noch mal hinaus in den Golf von Ligurien und dann tauchen wir ein in die Einsamkeit. Auf unseren Trails überqueren wir alte Handelsrouten und selten mal eine vergessene Passstrasse. Grenzschlängeln zwischen Ligurien und der Emiglia Romagna ist angesagt und so folgen wir kontinuierlich dem Hauptkamm des Apennins. Der Charakter der Landschaft und der Trails hat sich inzwischen komplett verändert. Geologie und Vegetation erinnern mich ans Baskenland. Nur ein einziges Dorf liegt an unserer Route. Über Generationen bewirtschaftetes Land wurde verlassen und wird von der Natur zurückerobert. Die Trails werden knackiger die Landschaft alpiner.
Nach dem stahlblauen Himmel vom Vormittag ziehen nun mächtige Nachmittagsgewitter auf. Inzwischen hat sich wenige Kilometer östlich von uns eine heftige Gewitterzelle an den Berghängen festgebissen. Pausenloses Donnergrollen ist zu hören – wir fahren auf „Zug“ denn ich will die exponierten Stellen schnell hinter uns bringen. Die Stimmung ist mythisch. Schutz gibt es in diesen wilden Bergen nur in Form von einer Forsthütte, welche noch 4 km entfernt ist, dann folgt 6 km später eine Kapelle und weitere 6 km später das einzigste Dorf. Bis dahin schaffen wir es gerade noch… Wir finden Schutz und das Gewitter zieht über uns hinweg – nach 30 Minuten ist der Spuck vorbei. Los geht’s, denn der letzte Trail erwartet uns.


Ein alter Mienen-Trail gewährt uns ein letzter Blick zum Meer – dann geht’s noch weiter ins Hinterland. Die Berge werden höher, das Gelände alpiner. Die uralten und naturbelassenen Waldbestände sind das Zuhause der bedeutendsten Wolfspopulation Norditaliens. Vor zwei Tagen sind wir in der Gluthitze noch fast vergangen, heute haben wir auf den Wolfs-Trails gerade noch 10°C und sehnen uns nach der Hitze.
Die Abfahrten sind spektakulär, enorm lang und edelste alpine Leckerbissen. Kaum zu glauben, dass sie bis heute unbekannt geblieben sind. Ein langgezogener Bergrücken gilt es noch zu erklimmen und wir erblicken das Tal der Trebbia. Sie gilt als schönster Fluss des Apennins und so ist klar, dass es heute Abend noch ein Bad in diesem wunderbaren Fluss gibt – zumal unser Hotel mitten in einer Flussbiegung liegt. Hemingway bezeichnete es als eines der schönsten Täler der Welt. Nach den Biketouren im Val Durance und im Valle Susa stosse ich hier ein weiteres Mal auf Spuren von Hannibal. Nach dem er 218 v.Chr. die Alpen erfolgreich überquert hatte, stand er hier beim zweiten punischen Krieg den Römern gegenüber. Er hat sie besiegt und hier im Tal bei seinen verbündeten ligurischen Kriegern überwintert.


Trail-Day ist heute das Motto. Wir reihen einen Weg an den nächsten – rauf und runter. Und so sind wir heute über vier Stunden ununterbrochen auf Trails unterwegs. Über Gipfel und Kreten und durch Flanken und Wälder bis direkt zur einzigen Gelateria weit und breit.
Aus dem vergessenen und verwinkelten Hinterland geht es ab nun kontinuierlich wieder zurück Richtung Riviera. Mittendrin einer der bedeutendsten und aussichtsreichsten Berge Liguriens. Der Gipfel muss wahrlich verdient werden aber dann steht man genau im Schnittpunkt der „Riviera di Ponente“ und „Riviera di Levante“ und blickt über den Ligurischen Golf. Ein magischer Moment. Nun startet die Abfahrt – durch menschenleere Weiten fliegen wir geradezu Richtung Westen.


Am fünften Tag steht die Königsetappe auf dem Programm. Lange Aufstiege, viele Trails und sehr fordernde Wegabschnitte. Bei solchen Etappen ist die Einteilung der Energie das A und O und so stimme ich die Gruppe mit einem genauen Briefing auf die bevorstehende Herausforderung ein. Um 7 Uhr sitzen wir auf unseren Bikes und geniessen die noch angenehmen Temperaturen. Die Strategie: einen idealen „Zug“ hineinbringen bevor uns wiederum die Gluthitze einholt. Das funktioniert perfekt und wir sind deutlich schneller als gedacht.
Fast die gesamte Tour verläuft auf der Wasserscheide zwischen dem ligurischen Meer und der Adria, zwischen Ligurien und dem Piemont. Die letzten 8 Kilometer fordern Körner und Durchhaltewille. Aber genau hier gibt es beeindruckende Szenerien, die uns wiederum ein völlig neues Bild der ligurischen Bergen vermitteln. Kaum zu glauben, dass wir eine ganze Woche komplett in diese Einsamkeit abtauchen konnten. Geniessen wir noch den letzten Tag bevor es morgen zurück an die Küste geht.


Ein besonderer Moment erwartet uns gegen das Ende der Alta via Liguria. Es ist der ominöse Übergang vom Apennin in die Alpen am Colle Altea / Cadibona. Für uns ein spezieller Ort, welcher durch diesen Stein mit einem kleinen Schild markiert ist. Rechts von uns der Apennin und links von uns die Alpen.
Wir alle haben in den Alpen schon so viele unglaubliche Abenteuer auf dem Bike erlebt. Hier stehen wir am Anfang dieser faszinierenden Gebirgskette, welche nach 1200 Kilometern, am 484 Meter hohen Kahlenberg bei Wien, enden.
Der heutige Tag rollt wieder besser und unser Ziel Finale Ligure wie auch die ultimative Schlussabfahrt kommt rasant näher. Bald werden wir rausspickt an der Riviera. Noch einmal geniessen wir die Ruhe und lassen all die Eindrücke auf uns wirken. Die Ligurischen Alpen haben so viele verschiedene Charakteren und wir durften ein Grossteil dieser gewaltigen Vielfalt erleben. Wir wurden geprägt mit Eindrücken die uns für immer in Erinnerung bleiben.
Graaaaazie mille euch allen für diese wunderschöne Zeit welche wir zusammen im wilden Ligurien erleben durften.

Kommentare

Lukas Z
29. Juni 2025
Schon ist wieder eine Woche um! Ich habe mir angewöhnt, nach solch fantastischen Bikewochen, wie du sie jeweils ermöglichst, das Erlebte setzen zu lassen und im Nachgang nochmals im Kopf zu geniessen. Es war wieder - einmal mehr - unglaublich eindrücklich und facettenreich, was du uns geboten hast. Herzlichen Dank für diese wunderbaren Momente in der Abgeschiedenheit Liguriens!
Stefan
26. Juni 2025
Lieber Luki - es war wie immer total genial. Nur diese Tour übertrifft in ihrer Art das Biken in den Alpen...unbekanntes total verwinkeltes schönes Terrain. Wir haben die Tage niemand getroffen... endlose verwundene genial Trails in ups and down durch uralte Wälder, über Grate... genial ... Es ist nicht wie in den Alpen, tricky das über 6 Tage in der Verbindung so aufzuspüren, dass alles zusammen überraschend aufgeht. Kaum nachvollziehbar. Und waren wir ein tolles Team, haben wir gut gelacht... Ihr seid super. Und danke Luki !!! Würde ich gleich nochmal machen !!! Lg stefan

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