Die grosse Lago Maggiore Umrundung (21. – 24. September)

Spannende Militärpfade aus dem 1. Weltkrieg, vergessene Saumpfade, historische Mulattieras, alte Hirtenwege und versteckte Schmugglerwege führten uns rund um den Lago Maggiore. Der See mit seinem malerischen Ufer zählt zu den beliebtesten Ferienregionen. Verlässt man die Uferregionen und dringt in die Berggebiete vor, erlebt man den «Lago Maggiore» in seiner Ursprünglichkeit. Hier durften wir Trails, Stimmungen und Landschaftsszenarien erleben, die uns faszinierten und beeindruckten.


Am Tag vor dem Tourstart war bereits klar, dass wir nicht die geplante und vorbereitete Strecke befahren können. Warnstufe drei für intensive Regenschauer und Gewitter sind prognostiziert inklusive der Gefahr von Murgängen und hochgehenden Bächen.
Ich plane eine neue Strecke in tieferen Lagen. Maximaler Trailanteil soll es trotzdem sein und dies auf Wegen die auch bei Nässe nicht matschig werden. Das Ganze abseits von Bächen, in wenig gefährdetem «Murgang-Gelände» und so, dass wir nahezu an jedem Ort die Tour verlassen könnten.
Schlussendlich war der Regen nicht flächendeckend sondern viel mehr in Zellen unterwegs. Das Glück war auf unserer Seite. Mit einigen Tropfen kamen wir Dank der neuen Streckenwahl glimpflich davon und wir konnten auch bei Nässe ein paar wunderbare Trails geniessen. Dank dem sandig-kiesigem Untergrund blieben gar unsere Bikes erstaunlich sauber.


Auch der zweite Tourentag hatte ich vorsorglich angepasst. Wettervorhersagen und Niederschlagsprognosen waren komplett unterschiedlich. Ich hatte drei bis vier verschiedene Optionen die ich in Kürze «zücken» konnte. Dies auch Dank dem privaten Schiffstransport der uns vom Ostufer ans Westufer übersetzte. Die Flexibilität des Kapitäns machte es mir möglich, dass ich ihn praktisch an jede Schiffsstation hätte beordern können. Und so konnte ich mich noch am Morgen entscheiden welche Variante wir befahren. Doch auch am Morgen waren die Prognosen so unterschiedlich, dass ich mich schlussendlich auf mein Bauchgefühl verlasse. Wir fahren die Variante 1 welche einen grösseren Berg beinnhaltet. Über längere Zeit ist uns Petrus wohlgesinnt. Der Berg ist geschafft und die 900 Tiefenmeter lange Trailabfahrt beginnt. So rasch als möglich soll es in tiefere Lagen gehen denn das Regenradar verheist nichts Gutes… Der oberste und baumlose Abschnitt hat gewaltige Spuren von den vergangenen intensiven Niederschlägen. Der einstige Flowtrail wird zur knackigen Herausforderung. Wir tauchen in den Wald ein und die Wege sind zum Glück wieder in top Zustand – flowig und zügig rauschen wir bergab. Geradezu sturzflutmässig beginnt es zu regnen. In 10 Minunten verwandeln sich die Trails zu Bächen. Nach 30 Minuten Vollgasregen ist der Spuck genau so schnell wieder vorbei und die ersten zaghaften Sonnenenstrahlen blinzeln durch das dichte Blätterwerk des Waldes. Bis zum Lago ist es nicht mehr weit. Hier erwartet uns bereits der Kapitän mit seinem Schiff von wo es nun genussvoll und direkt zu unserem Etappenziel geht.


Am dritten Tourentag war besseres und stabileres Wetter vorausgesagt. Trotzdem passe ich wegen der enormen Nässe die Strecke, resp vor allem die Abfahrt, an. Statt über historische Pfade rauschen wir nun über sandig-kiesige Trails, die meist auch griffigen Untergrund bieten, bergab. Bevor es aber so weit ist geht es 1400 Hm bergan. Forstwege und Trails wechseln sich ständig ab – es dauert satte drei Stunden bis wir auf dem vielleicht schönsten Aussichtsberg des «Limidario» stehen. So wird der Lago Maggiore von den älteren Einheimischen genannt. Sieben Oberitalienische und Tessiner Alpenseen sind zu sehen – einige davon präsentieren sich bereits beim langen Aufstieg.


Wir befinden uns mitten in die Lepontinischen Alpen. Ein wahres Labyrinth an Trails, Tälern und Hügel. Die Talschaft unter uns war einst mausarm. Die Kastanienwälder waren Lieferant ihres wichtigsten Grundnahrungsmittels. Vor 300 Jahren zogen hier die Schweizer Söldner vorbei auf ihrem Weg nach Genua, von wo sie Richtung Spanien verschifft wurden. Ganz in der Nähe war gar ein Söldner-Lager.
Vor uns liegt die Poebene und rechts von uns (auf dem Bild nicht zu sehen), ragt nahezu surreal die mächtige Monte-Rosa Ostwand in den Himmel. Sie ist die höchste Wand der Alpen. Nur gerade 45 Kilometer entfernt. Von Süden her bewegt sich uns eine gewaltige Regenfront entgegen. Wir haben Glück, dass sie Richtung Osten wegzieht. Wir geniessen den Trial und lassen uns von ihm so richtig verwöhnen.


Eine weitere lupenreine Gipfelfahrt erwartet uns bereits am Morgen des 4. Tourentages. Sie steht im Zeichen der Linea Cadorna welche hier spektakuläre Spuren in Form von Miliätrwegen und Schützengräben zurückgelassen hat. Im 1. Weltkrieg wollte Italien einen möglichen Durchmarsch deutscher Truppen durch die Schweiz in die Poebene mit allen Mitteln verhindern. So wurde auch am Lago Maggiore, von 1911 bis 1916, kräftig an der so genannten «Linea Cadorna» gebaut.
Der Sonnenaufgang hoch über dem Lago Maggiore ist an dieser Stelle ein Schauspiel. Genau so wie der nachfolgende Trail der uns so wunderbar auf die 4. Etappe einstimmt.


Insgesamt sind in diesen Bergen vor hundert Jahren 72 Kilometer Schützengräben, 88 Artillerie-Stationen, 296 Kilometer Militärstrassen und 398 Kilometer Saumpfade entstanden. Relikte wie dieser Militärweg gibt es also reichlich. Die einzigen Kampfhandlungen, welche in vereinzelten Gebieten dieser Befestigungslinie stattfanden, waren aber schlussendlich erst im 2. Weltkrieg, als sich Partisanen und Faschisten bekämpften. Diese verschanzten sich vor allem im angrenzenden Val Grande. Dem grössten Wildnisgebiet Italiens. Auf jeden Fall erblicken wir von diesem Weg die gesamte Länge des 65 Kilometer langen «Limidarios» und geniessen eine Panoramafahrt der feinsten Sorte.
Vielen herzlichen Dank euch allen für diese vier spektakulären Tage in meiner zweiten Heimat. Es war mir eine Riesenfreude mit euch zusammen diese Trails und Landschaften zu geniessen – trotz den Wetterkapriolen. Bellissimo! E grazie mille!

Kommentare

Christoph
27. September 2023
Ein wieder einmal enorm cooles Erlebnis mit Luki. Bestmögliche Planung um das unsichere Wetter herum, wo man dem Regen nicht ausweichen konnte, wurde die Strecke so angepasst, dass auch Trails gefahren werden konnten, die zu Bächen geworden sind. Luki hat das mal wieder perfekt organisiert und mit der tollen Unterstützung von Urs hat alles bis ins letzte Detail geklappt.
26. September 2023
Auch die Ausgabe 2023 der Lago Maggiore-Umrundung war trotz des teilweise nicht ganz optimalen Wetters eine richtig coole Sache, mit flowigen und auch verblockteren Abfahrten. Trotz des anfangs sehr, sehr unsicheren Wetters gab es jeden Tag tolle Trails! Danke an Luki für die kurzfristige Improvisation!

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