Wir fuhren durch den höchsten Norden des europäischen Festlandes bis an die Küste des arktischen Ozeans. Dreihundert Kilometer nördlich des Polarkreises startete unser Abenteuer, das uns mitten durch Finnisch- und Norwegisch-Lappland führte. Dabei durchquerten wir das grösste Wildnisgebiet Europas, das gerade mal einer Bevölkerungsdichte von 0,46 Einwohner pro km2 aufweist. Wir erlebten atemberaubende Naturschauspiele und tiefgreifende emotionale Momente inmitten absoluter Einsamkeit.
Im Gegensatz zum Süden von Finnland herrscht hier in Lappland tiefster Winter. Wir erleben die höchsten Schneemengen der vergangenen 55 Jahren. Die Temperaturen sind mit knapp unter 0° aussergewöhnlich hoch. Der auffrischende Wind bläst zügig über die sanften Hügel hinweg und verfrachtet den weichen Pulverschnee. Wir passen die geplante Route etwas an und fahren vermehrt durch die lichten Fichtenwälder. Hier ist unser Weg deutlich kompakter und auch vom Wind ist hier nur wenig zu spüren. Auf unserer ersten Etappe Richtung Polarmeer kommen wir gut voran. Ein perfekter Tag um sich mit den Schnee- und Wetter-Gegebenheiten des hohen Nordens vertraut zu machen.
Der zweite Tag ist kilometermässig der längste. Bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt und ganz leichtem Nieselregen starten wir in den Tag hinein. Das Wetter wird aber bald besser, die Wolken verziehen sich und am Abend erleben wir einen herrlichen Sonnenuntergang und später dann einen faszinierend hellen Vollmond.
Wir fahren mit unseren Fatbikes über den zugefrorenen Inarisee. Zwischen unzähligen Inseln und Engstellen hindurch aber auch über Inseln und Landzungen hinweg geht es mitten durch absolute Stille und Einsamkeit gen Norden. Es ist der heilige See der Samen der tief in ihrer Mythologie verbunden ist. Ganze 3000 Inseln hat er und ist zugleich der tiefste See Finnlands. Der Schnee ist kompakt und wir kommen ausgesprochen flüssig voran. Wir sind so gut im Zeitplan, dass wir gar einen Abstecher zum Wochenendhäuschen unseres Betreuers Lauri machen können. Hier am heissen Schweden-Ofen werden wir von ihm mit einer dampfenden Lachs-Suppe verwöhnt. Klar dass er den Lachs selber gefangen hat somit frisch aus dem Inarisee kommt.
Am dritten Tag erreichen wir die grösste Ausdehnung des Inarisee und bis am Abend seinen nördlichsten Fjord, wo wir ihn verlassen. Der See hat eine Fläche von 1‘042 km² und ist fast doppelt so gross wie der Bodensee. Es sind unglaubliche Weiten die sich öffnen. Absolut alleine sind wir unterwegs. Der Wind ist frisch und fordert uns heraus.
Aber auch heute sind wir früher als geplant an unserem Etappenort. Die Betreuer haben neben der kleinen Hütte ein Zelt aufgebaut. Der Ofen zaubert eine wohlige Wärme hinein. Die Rentierfelle isolieren perfekt und wer will schläft heute in einem traditionellen Sami-Zelt wie es heute noch genutzt wird.
Die Etappe von heute führt uns durch die Region mit der grössten Seendichte Finnlands. Durchschnittlich zehn Seen gibt es pro Quadratkilometer. Entsprechend oft fahren wir über kleine Erhebungen und erreichen immer wieder neue kleine Seen und Teiche, die wir überqueren. Dazwischen liegen offene Föhrenwälder. Nur im Winter wenn alles zugefroren ist, ist für uns diese Region und diese Landschaft überhaupt per Bike erreich- und erlebbar. Mit -12°C erleben wir einer der kältesten Starts. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt −1,3 °C und eine bleibende Schneedecke herrscht hier meist zwischen Ende Oktober und Mitte Mai.
Die letzte Etappe fordert noch mal Körner denn bis zum arktischen Ozean gilt es noch einige Anstiege zu überwinden. Schnell ist die Grenze nach Norwegen erreicht und es geht weiter Richtung Norden. Ohne unser Wissen schloss Norwegen nur wenige Minuten später seine Grenzen – zum Glück blieb aber die Finnische Grenze vorläufig offen so dass eine Rückkehr ohne weiteres möglich war… 1852 gab es hier eine neue Grenzziehung zwischen Schweden-Norwegen auf der einen und dem Grossfürstentum Finnland auf der anderen Seite. So reicht Finnlands Grenze heute nicht mehr bis zur Nordägäis und behinderte für lange Zeit die grenzüberschreitende Rentierzucht und Fischerei der Samen.
Der Landschaftstyp ändert sich nun innerhalb weniger Meter. Die Föhrenwälder weichen der Tundra-artigen Vegetation wo in niedrigen Lagen nur noch gedrungene Birken wachsen.
Über die letzten Ausläufer des 1700 km langen Skanden-Gebirges geht es Richtung arktischer Ozean und dann ist nach 300 km das Nordpolarmeer erreicht. Ein gewaltiger und ebenso emotionaler Moment den wir an einem der nördlichsten Landzipfel Europas erleben. Über Jahrhunderte wurden hier durch den Mut von Seefahrern, Abenteurern und Pionieren die spektakulärsten Abenteuergeschichten geschrieben. Heute aber schreiben wir an dieser Stelle und für uns persönlich ein Stück Abenteuergeschichte. Ein Abenteuer das uns für immer in Erinnerung bleiben wird – vor allem auch der Sprung von Peter ins eiskalte Meer.
Am letzten Abend wurde unser Erlebnis noch mit den mystischen Nordlichtern gekrönt. Das Pünkchen auf dem «i» nach diesem Cross hoch zum Polarmeer. Euch allen ein ganz grosses Danke, für dieses einzigartige Pionier-Erlebnis das mich tief bewegt.
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