Beeindruckende Fels- und Gletschermassive die 6500 Meter senkrecht in den Himmel ragen. Vorbei an farbigen Seen-Landschaften, über höchste Pässe und durch das einsame wie mystische Land der Inkas. Im Herzen der Hochanden schufen sie spektakulärste Wege und Bauwerke, die uns ganz tief in den Bann zogen und für immer prägen werden. Zwischen 3000 bis 5000 müM stockte oft der Atem – jedoch nicht nur wegen der dünnen Luft, vielmehr auch wegen dieser einzigartigen Hochgebirgs- und Kulturlandschaft.
Unser Ausgangspunkt ist Cusco, die Hauptstadt der Inkas. Bereits auf 3400 müM gelegen gilt es sich behutsam an die bevorstehenden Touren herzanzutasten. Die Höhenerfahrung der diversen Kilimanjaro-Befahrungen halfen dabei, die Gruppe ideal darauf vorzubereiten.
Der Sage nach gründete der erste Inka Manco Cápac, diese Anden-Stadt. Cusco wurde darauf zum rituellen, administrativen wie auch kulturellen Zentrum der Inkas. Sie herrschten vom 13. bis zum 16. Jahrhundert, wobei ihr Reich 1530 die grösste Ausdehnung erreichte (950.000 km2). Ab 1532 drangen immer mehr die Spanier vor und kolonialisierten das Inkareich.
Die ersten drei Tourentage führten uns in die umliegenden Berge hoch über das Talbecken von Cusco. Und immer wieder rauschen wir am Ende der Abfahrten durch die historischen Gassen bis auf die Plaza de Armas wo jeden Tag grosse und farbenfrohe Feste gefeiert wurden.
Trail für Trail geht es nicht nur darum uns an die grosse Höhe zu gewöhnen (der Bergrücken auf dem Bild liegt bereits auf 4200 müM), sondern, dass wir uns auch mit der Trailart der Anden vertraut machen können.
Bereits diese drei «Hausrunden» liessen die Klasse dieser „Inka-Trails“ aufblitzen. Sie sind von der Schwierigkeit her mit den Trails in den Alpen zu vergleichen. Jedoch sind sie unendlich viel länger, nicht markiert, völlig einsam und vor allem liegen sie in ganz anderen Höhen und in mitten einer uralten und bis heute pulsierenden Kulturlandschaft. Die Regionen sind enorm abgelegen. Eine Rettungsaktion nach einem Sturz würde viele Stunden, wenn nicht sogar mehr als einen Tag dauern. Entsprechend habe ich unser Sicherheitsdispositiv angepasst. Integralhelm (mit abnehmbarem Bügel) so wie Knie- und Ellbogen Protektoren wurden jeweils bei den langen und fordernden Abfahrten montiert.
Der dritte Tourentag in Cusco war der letzte «Akklimatisations-Tag». Der Blick wird hier auf 4500 Metern frei zum 6384 Meter hohen gletscherbedeckten Ausangate Massiv. Und genau dieses Massiv ist unser Ziel für die nächsten Tage. Der Berg wurden von den Inkas als Gottheit verehrt und entsprechend sind auch hier Spuren von ihnen zu sehen in Form von spektakulären Wegen und Passübergängen. Entwicklungsgeschichtlich sind die Inkas mit den bronzezeitlichen Kulturen Eurasiens vergleichbar. Trotz einer städtischen Kultur und den bekannten steinernen Monumenten war die Inka-Kultur eine vorwiegend bäuerliche Zivilisation, die sich aus diversen jahrtausendealten Vorgänger-Kulturlandschaft entwickelte.
Am vierten Tag stehen wir endlich vor dem fünft-höchsten Berg Perus. Dem Ausangate. Nach dem Outdoorfrühstück im Angesicht dieser gewaltigen Gletscherwand geht es los. Der Pass, den es zu erklimmen gilt, ist satte 4900 Meter hoch. Der Gletscher ist zum Anfassen nah. Die Dimensionen sind gewaltig und als Europäer mutetet es surreal an, dass man mit dem Bike so nah an solch mächtige Gletscher heranfahren kann. Dieser Übergang ist das Tor in eine andere Welt – ein Übergang in den Bikehimmel.
Alljährlich wird hier an Fronleichnam das Fest Quyllur Rit’i (Schneesternfest) gefeiert. Tausende Menschen, die Mehrzahl Indigene, pilgern in die schneebedeckten Höhen zur Kirche von Sinakara. Sie bringen Ausangate und anderen Berggottheiten Opfer dar, um die Kartoffelernte und reichen Viehertrag für das kommende Jahr zu sichern.
Es folgen unzählige kleine Übergänge, Täler, Fels-, Gletscher- und Seenlandschaften, Alpweiden mit Alpakas und einsamen Hirten mit ihrer typisch farbigen Tracht. Ich bin tief beeindruckt denn sie leben hier auf 4700 Metern nach wie vor ein Leben wie zu Zeiten des grossen Inkareiches. Es ist wie im Bilderbuch. Einzig der Condor fehlt noch. Nach 7 Stunden Trailabenteuer erreichen wir die heissen Quellen von Pacchanta (4200 Meter). Hier erholen wir uns und übernachten in einer einfachen Unterkunft inmitten dieser gewaltigen Naturlandschaft die mich an den Himalaya erinnert.
Nach dem gestrigen Tag ist eine Steigerung nicht vorstellbar… aber es sollte tatsächlich noch spektakulärer werden. Wiederum geniessen wir diese tief beeindruckende und genauso abwechslungsreiche Anden-Landschaft. Immer mehr schlängeln wir uns zwischen diesen Fels- und Glescherriesen hindurch. Rund um uns herum ragen diese gewaltigen Berge in den Himmel. Kaum vorstellbar, dass es da irgendwo ein Durchkommen für uns gibt. Die Wege sind verschlungen und verspielt und führen schlussendlich aus diesem atemberaubenden Labyrinth von 6000-er Massiven heraus. Auf geschichtsträchtigen und atemberaubenden Inka-Trails mitten durch eine der faszinierendsten Hochgebirgslandschaften dieser Welt. Auf diesen Inka-Trails tauchen wir ein in eine längst vergangene Zeit und erleben die unbändige Kraft dieser gewaltigen Naturlandschaft.
Nach einem Ruhetag dislozieren wir ins heilige Tal der Inkas. Durch Eroberung und Diplomatie erlangten die Inka in der Zeit von 1000 bis 1400 n. Chr. die administrative Kontrolle über die verschiedenen ethnischen Gruppen, die im oder in der Nähe des Heiligen Tals lebten. Die Anziehungskraft des Heiligen Tals auf die Inkas war nebst seiner Nähe zu Cusco vor allem die niedrigere Lage. Es war wärmer und die tieferen Lagen ermöglichten den Anbau von Mais. Mais war eine Prestigeernte für die Inkas, insbesondere um Chicha herzustellen, ein fermentiertes Maisgetränk, das die Inkas und ihre Untertanen bei ihren vielen zeremoniellen und religiösen Festen in grossen Mengen konsumierten.
Auf diesem verschlungenen und extrem langen Trail fahren wir von 4400 müM ins 1500 Meter tiefer gelegene Tal hinunter. Es ist der historische Weg welcher Cusco mit Huchuy qosqo verbindet. Das so genannte kleine Cusco. 800 Meter über dem Talboden gelegen ist es von den Besucherströmen bis heute verschont geblieben. Zu beschwerlich wäre der steile Weg. Für uns Biker ein wahr gewordener Traum…
Das „heilige Tal“ bietet wohl die grösste Ansammlung an alten Inkaruinen. Nebst Machu Picchu gibt es hier noch dutzende weitere Bauwerke zu entdecken und zu bestaunen. Genau so wie eine riesige Fülle an Trails. Von hochgelegenen Pässen führen diese Stundenlang ins Haupttal hinunter. Inkapfade oder Alpaka-Pfade. Sie aufzuspüren ist nicht immer einfach. Hat man mal die richtige Fährte und biegt überall richtig ab, dann warten hier unendlich lange Singletrails. Es ist das Ziel Trailmässig das Beste vom Besten zu kombinieren.
Angesichts der begrenzten technologischen Möglichkeiten erschufen die Inkas atemberaubende Bauwerke. Wie etwa eine 28 Meter lange Hängebrücke über den Río Apurímac, die 4000 Kilometer lange und 8 Meter breite Küstenstrasse und die 5200 Kilometer lange und 6 Meter breite Andenstrasse. Das gesamte Straßennetz der Inkas war 40’000 km lang. Da weder Reittiere noch Rad und Wagen bekannt waren wurde es nur zu Fuss genutzt. Die Architekten errichteten Repräsentationsbauten aus schweren, zyklopischen Granitsteinen, die sie verwinkelt und fugenlos ineinanderpassten, und die häufigen Erdbeben unbeschadet überstanden. Bogengewölbe waren ihnen unbekannt. Machu Picchu – welches erst 1922 entdeckt wurde – ist ein Beispiel für ihre Gebäudestrategien, welche minutiös an die Topographie eines Gebieters angelpasst wurde. Diese Bauwerke sind umso bemerkenswerter, da diese Kulturleistungen überwiegend mit menschlicher Muskelkraft, also ohne Rad oder Wagen, ohne Zugtiere, ohne Flaschenzug und ohne Schrift vollbracht werden konnten.
Landwirtschaftliche Terrassen, Andenen genannt, wurden an Hängen entlang des Talbodens errichtet und sind heute die sichtbarsten und am weitesten verbreiteten Zeichen der Inka-Zivilisation. Sie waren der Namensgeber dieser 9000 km langen Gebirgskette mit seinen rund hundert 6’000-ern.
Vielen Dank euch allen für dieses tief beeindruckende Erlebnis welches mich für immer geprägt hat. Endlich durfte ich die Anden mit seinen gewaltigen Bergen, den unendlichen Trails und dieser einmaligen Kultur, mit meinen Bikefreunden «teilen» und erleben.
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