Während einer Woche konnten wir in die einzigartige Gebirgswelt des Hohen Atlas eintauchen. Der 2300 km lange Gebirgszug ist fast doppelt so lange wie der Alpenbogen. Das uralte traditionelle bäuerliche Leben in den Bergdörfern und die unendlich langen Berber-Trails, prägen für immer. Diese Trails waren einst die Hauptverbindungen hinunter zu den Märkten in der Ebene. Noch heute werden sie von Hirten mit ihren Schafen und Ziegen, oder von Bauern mit ihren Eseln genutzt. Was wir in Marokko in „nur“ sieben Tagen erlebten, ist kaum in Worte zu fassen und hinterlässt tiefe emotionale Eindrücke.
Vom emsigen Treiben in Marrakech geht es in einer kurzen Shuttlefahrt ins Atlas-Gebirge, wo unser Abenteuer startet. Der erste grosse Kammrücken zeigt bereits die Charakteristik dieser Trails. Es ist eine ideale Tour, um sich mit den Gegebenheiten und dem Untergrund vertraut zu machen. Der körnige und trockene Boden fordert Feingefühl. Die Vorderbremse setze ich hier deutlich dosierter ein als auf den Alpentrails und auch der Luftdruck in den Reifen wird etwas reduziert.
An den Landschaftseindrücken können wir uns schon jetzt kaum satt sehen. Die Hangflanke rechts, fällt 800 Meter zur grossen Ebene hinunter ab. Links stemmen sich die Berge über 3000 Meter hoch in den Afrikanischen Himmel. Insgesamt gibt es im Atlas über 300 Berggipfel, welche die 3000-Meter Marke knacken. Was wir heute an Trails serviert bekommen, ist aber erst der Vorgeschmack auf die kommenden Tage.
Auf einem alten Militärweg, welcher die französische Fremdenlegion in den 1950-er Jahren erbaut hat, geht’s am zweiten Tourentag ins einsame Hinterland. Dutzende von Kilometern biken wir über die uralten Eselpfade. Sie verbinden die Bergdörfer mit den grösseren Dörfern am Rande des Atlasgebirges. In den letzten Jahren wurden die weltentrückten Gebirgsdörfer vermehrt mit Schotterstrassen erschlossen. Für die Bergbevölkerung ist aber der Esel nach wie vor DAS Transport- und Arbeitstier. Motorisiert oder mechanisiert ist hier nichts und niemand. Und so sind die versteckten Pfade in bestem Zustand und für versierte Biker ein wahr gewordener Trail-Traum.
Am dritten Tourentag geht’s kontinuierlich gen Westen mitten durch die Bergwelt der einsamen Hirten. Wir reihen Trail-Spektakel an Trail-Spektakel. Diese Wege zu finden ist eine Herausforderung. Angeschrieben oder markiert ist keiner dieser Wege. Immer wieder gibt es Abzweiger oder es scheint, dass der Pfad zu Ende ist – die richtige Fährte zu finden fordert viel Geschick und die Kenntnis, wie sich Esel im Gelände bewegen. Da diese keine steilen Anstiege mögen, haben ihre Pfade eine sanfte Neigung und führen kunstvoll wie elegant durch das verwinkelte und mit Gräben durchzogene Gelände. Geschickt umgehen sie Stellen die schwierig zu überwinden sind. Wer hier ein Auge hat für die richtige «Esel-Fährte» wird mit Atlas-Flow vom allerfeinsten verwöhnt.
Beeindruckend weite Landschaften prägen den Mittleren Atlas. Nach 800 Höhenmetern tauchen wir in diese neue Welt ein. Die Berge lehnen sich zurück, in den Tälern gibt es viel Platz für die Bauern, die ihre kargen Getreidefelder bestellen. Auf traditionelle Art mit Sichel geschnitten wird das Erntegut kilometerlang auf Maultieren in die Dörfer gebracht. Hier ticken die Uhren komplett anderes – die Leute leben seit Jahrtausenden ihr traditionelles Leben und sind bis heute Selbstversorger geblieben. Der Esel ist ihr Arbeits-, Last- und Transporttier und somit überlebenswichtig.
Wir steigen kontinuierlich bergan bis zu unserer Unterkunft auf 2000 Metern. Es kommt mir vor, als ob ich bereits seit Monaten unterwegs bin – das «moderne» Europa ist unendlich weit weg.
Diese Trails, dieses farbige Gestein und dazwischen immer wieder grüne Vegetation und intensive Gerüche – es eine Natur die uns staunen lässt. Von den weiten Hochebenen geht es nun spektakulär in die tiefen Täler hinunter und wieder zurück. Faszinierend angelegte Wege inmitten einer atemberaubenden Geologie ziehen uns tief in den Bann.
In den niederen Lagen, wird auf den Feldern das erste Mal Korn geerntet. Die kleinen und mit Steinen beschwerten Haufen werden von den Eseln abgeholt und ins Dorf gebracht. Die Berber haben sich mit der Natur arrangiert und sie machen einen glücklichen und stolzen Eindruck. In den Dörfern werden wir begrüsst. Die Kinder stehen am Wegrand und halten uns ihre Hände entgegen – wir klatschen sie ab, sie sind begeistert, sie lachen und rufen uns zu.
Wir sind in den Atlas und somit in ein Leben abgetaucht, welches sich seit tausenden von Jahren kaum verändert hat. Enorm beeindruckt und tief berührt hat uns diese Tour, die uns in eine unbekannte und neue Welt führte. Es braucht Zeit all die Emotionen zu verarbeiten. Vielen, vielen Dank liebe Atlas-Biker/innen für diese Singletrail Tour, die wir zusammen im ursprünglichen Berberland erleben durften.
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