Im Herzen der provenzalischen Bergwelt hat der Frühling mächtig Einzug gehalten. Ein Meer aus Farben, Düften und selbstverständlich endlosen Trails. Kilometerlang und völlig verspielt führten sie uns durch eine Bilderbuchlandschaft, die uns tief in den Bann zog. In unserer malerischen Unterkunft fühlten wir uns wie Gott in Frankreich. Hier konnten wir uns erholen, fein Essen, geniessen, lachen und uns auf die nächste Tour freuen. Eine Woche lang jeden Tag Biketouren mit einem Trailanteil von 75 bis 90 Prozent. Was will das Bikerherz mehr…?
Der erste Tag unserer Tour offenbart bereits die Schönheit und Vielfalt unseres Reviers – ein wahrer Beweis für seine Klasse und Rasse. Doch die vergangene Nacht brachte starken Regen, sodass die Trails nun besonders nass und herausfordernd sind. Während der Tour passte ich deshalb immer mal wieder die Strecke etwas an. Trotzdem bleibt die Magie der Landschaft unberührt: Malerische Eichenwälder, sanfte Täler und weite Kämme, die uns immer wieder atemberaubende Ausblicke schenken.
Unsere Unterkunft ist eine ehemalige Saumstation aus dem 17. Jahrhundert. Einst für den Saumverkehr strategisch ideal erbaut, liegt sie auch noch 400 Jahren später – diesmal für uns Biker – an ausgezeichneter Lage. Hier geniessen wir feinste Gastfreundschaft, gutes Essen und eine wunderbare Stimmung.
Nach einigen ausgiebigen Trailschleifen erreichen wir am zweiten Tag die berühmte Boulangerie, die weithin bekannt ist. Wie in Frankreich üblich, fällt die Auswahl bei den verlockenden Köstlichkeiten schwer. Wir überqueren die Durance und sogleich beginnt der lange Uphill zur spektakulären Singletrail-Krete. Wir geniessen Panoramablicke in alle Himmelsrichtungen. Das Val Durance liegt uns zu Füssen. 218 v. Chr. zog hier Hannibal mit seinen 50’000 Soldaten, 9’000 Reitern und 37 Kriegselefanten vorbei. Von Spanien führte er sein Heer am Col Clapier über die Alpen. 118 v.Chr. entstand im Val Durance die Römerstrasse Via Domitia. Sie verband Rom mit der Iberischen Halbinsel. Das Wegtrasse mit den über 2000 Jahre alten Brücken ist abschnittsweise noch gut erhalten. Heere, Händler, Pilger, Hirten, Könige, Kriegsherren und viele mehr sind hier einst vorbeigezogen. Heute sind es aufmerksame Biker, die noch die Spuren der Zeit erkennen.
Am dritten Tourentag erwartet uns die grösste Uphill-Herausforderung der Region. Mit 1300 MüM erklimmen wir den höchsten Punkt unserer Bikerwoche. Im Prinzip könnte man bis auf 1900 Meter hoch fahren – die Tourenplanung ist jedoch so ausgelegt, dass unsere Touren auch funktionieren, wenn es einen schneereichen Winter gegeben hat. 900 Höhenmeter auf Schotterwegen und Singletrails fordern mächtig Körner und sind ein erster Härtetest des neuen Bikejahres. Es lohnt sich, denn die Aussicht ist atemberaubend schön und reicht von hier bis zum Alpenhauptkamm und zum südlichsten 4000-er der Alpen (Barre des Ecrins – 4102 m).
Heute erwartet uns ein Highlight welches alpenweit einzigartig ist. Das Wetter muss stabil und die Trails trocken sein. Ein überraschender Gewitterregen kann hier fatale Folgen haben. Heute ist es definitiv ideal und wir fahren eine Tour, welche für mich zu den Top-Ten der Alpen zählt. Auf den «schwarzen Trails» biken wir mitten durch eine völlig andere Welt. Diese Art von Biken erinnert mich an Moab. Nur der Untergrund ist anders. Etwas vergleichbares kenne ich in den Alpen nicht. Wir können unser Biker-Glück kaum fassen und saugen diese Emotionen tief in uns auf. Nicht selten schiesst pures Adrenalin durch unsere Adern. Das ist Mountain-Bike-Spirit vom Feinsten!
Heute erwartet uns ein Trail-Abenteuer zwischen Sonne, Wind und Wildnis und das Ganze auf verschlungen und manchmal auch geheimen Pfaden. Nach den kräftigen Regengüssen der vergangenen Woche heisste es nach wie vor spontan bleiben. Aber genau das ist mein Ding. Ich kenne das Val Durance wie meine Trickottasche – und so passe ich die Touren täglich an. Anfangs Woche auf schnell trocknenden Trails, später dann auf die, die noch ein bisschen Sonne brauchen. Jetzt ist Showtime: blauer Himmel, trockene Lines, Sonnenschein pur! Flora und Geologie wechseln im Minutentakt – und mit ihnen die Trails. Mal felsig und wild, dann wieder weich und flowig. Der heutige Tourentag führt uns durch ein unendliches Trail-Labyrinth wie es in dieser Art wohl einzigartig ist. Wir biken über vergessene Pässe, entlang schmaler Kämme und durch plätschernde Bachläufe ins verwinkelte Hinterland. Ein Trail führt zum nächsten, als würde die Landschaft uns ihre Geheimnisse zuflüstern. Unglaublich, dass dieses Paradies unter Bikern noch so unbekannt ist. Ach ja – der Mistral bläst jetzt durch die Provence. Aber keine Sorge: In den versteckten Tälern, wo wir unterwegs sind, hört man ihn höchstens flüstern. Hier regiert der Trail – und wir folgen ihm.
Provenzalisches und alpine Ambiente verschmelzen im Val Durance zu einer einzigartigen Naturlandschaft. Blauer Himmel, stundenlange Trails, Stille und eine geradezu explodierende Flora mit unglaublichen Farben und Düften. Wir erleben heute das Grande Trail-Finale. Unseren Hausberg erklimmen wir komplett auf Trails, die Aussicht ist gigantisch. Wir erblicken das gesamte Val Durance und im Norden sticht gestochen scharf die Barre des Ecrins in den azurblauen Himmel. Weiter geht’s ins wilde Hinterland, unsere Reifen rollen über Felsplatten, über Waldboden und einmal mehr durch terre noires. In einem Labyrinth aus Pfaden geht es völlig verspielt durch Wälder, über Wiesen und Kreten, durch Flanken und hinein in kleine Schluchten. Stundenland tanzen wir mit unseren Bikes über diese Trails – «Trailriding» vom Feinsten!
Hansi, vielen Dank für dein grossartiges Co-Guiding! Ganz herzlichen Dank euch allen für diese wunderschöne Bikewoche, all die Emotionen und den gemeinsamen Start in den Bikefrühling bleibt mir für immer in Erinnerung.
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