Freude und Motivation sind maximal. Endlich die erste Bikewoche – nach der Fatbike Tour in Lappland von Mitte März – die ich wieder im Ausland guiden kann! Das Bikecamp «Haute-Verdon» und auch der Singletrail-Crosss «Monte e Mare» konnten jedoch in der geplanten Art noch nicht durchgeführt werden. So kreierte ich aus diesen beiden Touren ein neues Tourenkonzept, welches die Vorzüge eines Stationären Camps wie auch die eines Alpencrosses, miteinander vereint.
Das so genannte Tor zur Provence ist unsere erste Location. Hier im einsamen Hinterland wird schnell klar, dass wir in der menschenleersten Region der Provence unterwegs sind. Nur gerade 23 Einwohner leben hier pro km². Die Tour ist mit 90 km die längste und führt uns durch 5 Täler, über 4 Pässe und einen aussichtsreichen Kamm. Im Norden (auf dem Foto nicht zu sehen) stechen die Felszacken des Pelvoux-Massiv, mit dem südlichsten Alpen-4000er, in den Himmel. Aufgrund der schroffen Gipfel, der steilen Wände und der zerrissenen Gletscher wird es auch als «Karakorum der Alpen» bezeichnet.
Die Hektik im Vorfeld, mit der kurzfristigen und kompletten Umorganisation und Neuplanung, sind bei diesen Trails und bei diesen Landschaftseindrücken schnell vergessen.
Nicht nur Trailmässig, sondern auch geologisch, biken wir am zweiten Tag durch eine besonders spannende Region. Anfang der 1980er Jahre wurde hier das grösste Ammonitenfeld Europas entdeckt. Die Versteinerungen sind über 200 Millionen Jahre alt und somit etwa drei Mal älter als die Alpenfaltung.
Durch dichten Wald schlängelt sich der Trail der steil abfallenden Kante entlang. Hier bei der kleinen Waldlichtung liegt versteckt, in der dichten Vegetation, ein schmaler Einschnitt. Exakt an dieser Stelle gibt es die einzige Möglichkeit die Krete zu überwinden um auf die Südseite dieses Bergzugs zu gelangen. Weit im Hintergrund ist der 1912 Meter hohen Mont Ventoux zu erkennen.
Nach drei Tourentagen ziehen wir weiter Richtung Osten. Mitten im Herzen der Provenzalischen Alpen, in einem herzlich geführten Hotel, schlagen wir unser neues «Lager» auf. Diese Landschaft, mit ihren markanten Gipfeln, die über 3000 Meter hoch sind, den tiefen Schluchten, den scharfgeschnittenen Kreten und den gewaltigen Hochplateaus fesselt und fasziniert. Oftmals kommt es uns vor, als ob wir auf einer atemberaubenden «Singletrail-Reise» durch mehrere ferne Gebirgsmassive biken. Die Weiten und die Geologie der Provenzalischen Alpen «entführen» uns in völlig neue und für uns unbekannte Regionen der Alpen.
Für mich persönlich ist dies eine der Top 3 Touren der Alpen. Seit 3,5 Stunden sind wir auf diesem Trail unterwegs, 2,5 weitere Trail-Stunden folgen. Er beginnt als Höhentrail der in ein wunderschönes Tal hineinführt. Dem Bachlauf folgend geht es immer mehr in die in die Einsamkeit. Just in dem Moment, wo man den Talschluss erwartet, öffnet sich dieser jedoch zu einer grosse Hochfläche. Die Distanzen einzuschätzen sind schwierig. Wir überqueren das Hochplateau in der vollen Länge und nehmen den hier Schlussaufstieg zum Passübergang in Angriff. Von hier oben wirken die Dimensionen noch beeindruckender – wir wägen uns im Bikehimmel…
Kaum zu glauben, aber bis heute ist diese Region bei Bikern fast komplett unbekannt geblieben. Die ausgesprochen attraktive Landschaft mit ihren verwinkelten Tälern und den entsprechend vielen Passübergängen war für den modernen Verkehr ein zu grosses Hindernis. Und so ist die Haute Verdon bis heute einsam und ursprünglich geblieben. Sie verwöhnt den versierten Trail-Biker nicht nur mit alleredelsten Trail- und Landschaftsleckerbissen sondern auch bis heute mit ganz viel Einsamkeit.
Das zerklüftete Gerbirgsland zwischen Durance und Var hat unzählige Übergänge. Viele davon wurden in den vergangenen Jahrhunderten «ausgebaut» und es entstanden viele Saum- und Verbindungswege. Der letzte grosse Ausbau dieser Pässe wurde im zweiten Weltkrieg vorgenommen und reichte von hier bis ins ferne Tinée Tal, mitten in den Seealpen. Diese ausgebauten Passwege stellten für die französische Armee das Rückgrat dar, falls die Italiener die französischen Stellungslinien an den Grenzen überwunden hätten. Heute zählen sie zu den schönsten Trails der Westalpen.
Merci beaucoup für all diese Momente, diese wunderbare Bikefreundschaft und dieses atemberaubende Trailerlebnis, das wir im Herzen der Provencalischen Alpen erleben durften.
Kommentare