Kaum ein anderes Tal in den Alpen hat eine umfangreichere Wegbaugeschichte als das 70 Kilometer lange Valle Susa. Während unzähligen Epochen sind hier Wege und Routen entstanden welche Massstäbe setzten. Könige, Päpste und Heere sind durchgezogen und haben ihre Spuren hinterlassen.
Der Reliefuntrschied dieses Tals zählt alpenweit zu den grössten. Zwischen dem höchsten und tiefsten Punkt liegen satte 3000 Höhenmeter, entsprechend spektakulär und abwechslungsreich ist das „Trail-Revier“. Wir konnten einige der längsten Up- und Downhills der Alpen befahren und sind dabei in eine Talschaft eingetaucht, die uns tief beeindruckt haben. Trailgenuss vom Feinsten, gutes Essen und wunderbare Emotionen im Herzen der Piemontesischen Alpen. Bikespirit vom Feinsten!
Die erste Tour führt uns mitten ins Grenzgebiet zwischen den Cottischen und den Grajischen Alpen. Die Tour gleicht einer Zeitreise durch die verschiedenen Geschichtsären – wir staunen über die Wegebaukunst vergangener Zeiten. Auf Hannibal’s Spuren erreichen wir heute den Alpenhauptkamm.
Im Herbst 218 v.Chr. überquerte der Karthagische Heerführer Hannibal auf diesem Weg die Alpen. 14 Tage benötigte er um mit seinen 30’000 bis 50’000 Mann, 9000 Reiter und 37 Elefanten ins Susatal zu gelangen. Auf diesem riesigen Plateau – mit dem See im Hintergrund – hat er sein letztes Lager aufgeschlagen bevor er den langen Abstieg ins Tal in Angriff nahm.
Heute steht die höchste historische Militärfestung der Alpen auf dem Programm. Der Gipfel auf über 3100 Metern ist die grösste Challenge, der man sich als Biker in den Westalpen stellen kann. Der Zahn der Zeit nagt am alten Wegetrassee. Ein Murgang droht an einer Stelle akut das Trassee in die Tiefe zu reissen. Gut möglich, dass diese einzigartige Befahrung – dieser Biker-Mythos – auch bald „Geschichte“ ist… Mit Bärenkraft und kleinsten Übersetzungen ist nach wie vor ein Grossteil fahrbar – ein ultimativer Kraft- und Konditionstest, der durch die dünne Luft zusätzlich verschärft wird. Es ist eine Challenge mit sich und den Gegebenheiten. Mit jedem Höhenmeter wird das Panorama spektakulärer. Ganz zum Schluss würde bei klarsten Bedingungen die Sicht bis zum Mont-Blanc reichen. Heute begnügen wir uns mit dem Pellvoux Massiv (südlichster 4000-er) im Westen, dem Rocciamelone (höchster Wallfahrtsberg mit 3520m) im Norden und mit einer atemberaubenden Perspektive in die tief unter uns gelegenen Täler. Es ist das achte Mal, dass ich mit meinem Bike diesen Berg erklommen habe – jedes Mal war es eine ultimative Herausforderung, welche auf dem Gipfel mit einem wunderbaren Glücksgefühl gekrönt wurde.
Über drei Pässe fahren wir heute in die hintersten Talschlüsse der gottverlassenen Waldensertäler. Die Waldenser sind eine protestantische Glaubensgemeinschaft, die ihren Ursprung im 12. Jahrhundert in Südfrankreich hatte. Während des Mittelalters wurden sie von der katholischen Kirche verfolgt. Zuflucht fanden sie in den schwer zugänglichen Valli Chisone, Germanasca und Pellice.
Im Hintergrund sieht man den zweiten Pass, welcher wir vor einer halben Stunde überquert haben. Dazwischen weidete eine Herde Rinder und Schafe, welche von zwei Hirten mit ihren Hunden durchs einsame Bergland geführt werden. Es ist ein Privileg, dass wir dieses urtümliche Leben in «meinen» Bergen immer noch erleben dürfen. Ansonsten ist es absolut ruhig und es scheint, als hätten wir die Welt für uns alleine.
Nach dem Übergang öffnet sich ein Tal, in welchem sich ein Bilderbuch-Trail hinunterschlängelt. Abwechslungsreich und verspielt inmitten einsamster Gebirgslandschaften. Ein nahezu unendliches Trailfinale fernab jeglicher Zivilisation. Ich vermute, dass es einer von diesen sagenumwobenen und gut versteckten Waldenser-Wegen ist.
Im Grenzgebiet der Cottischen Alpen und der Dauphine ändert sich das Landschaftsbild innerhalb von wenigen Metern. Schon bald fährt man über ein trockenes, steiniges und baumloses Hochplateau, welches mich an die Steppenlandschaft am Kilimanjaro erinnert.
Im Hintergrund das mächtige Pellvoux Massiv mit der Barre des Ecrins, sie ist mit 4102 m der südlichste 4000-er der Alpen. Wegen seiner enormen Wildheit, den steilen Felsen und der mächtigen Gletscher, wird das Massiv auch als «Karakorum der Alpen» bezeichnet.
Im Schnittpunkt zwischen dem Valle Susa und dem okzitanischen Valle Chisone erwarten uns unzählige Trails. Am Ende der Woche gewährt und diese Tour noch mal einen Blick zu sämtlichen Pässen, Gipfeln und Tälern in welchen wir im Bikecamp Valle Susa unterwegs waren. Auf Militärwegen aus verschiedenen Epochen geht es noch mal hoch auf über 2500 Meter. Bald folgen unendlich lange Höhentrails mit faszinierenden Aussichten. Stundenlanges «Trailen» wie es schöner nicht sein kann. Ich liebe das Piemont – es ist zu meiner zweiten Heimat geworden!
Ueli, an dieser Stelle ein riesiges Danke für ein hervorragendes Co-Guiding der Plaisirgruppe. Maya, die ganze Gruppe wünscht dir gute und schnelle Genesung.
Ganz lieben Dank an euch alle für die gemeinsamen Berg- und Trailerlebnisse im Valle Susa. Mountainbiking a la Westalpen mit Emotionen die ganz, ganz tief gehen! Una grande grazie mille a tutti!
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