Vom 4808 Meter hohen Montblanc bis zum 3841 Meter hohen Monviso fuhren wir mitten durch eine der spektakulärsten Gebirgsszenerien der Alpen. Ein Bike-Abenteuer der Extraklasse welches uns für immer prägt. Die Abwechslung der Landschaft, die unendliche Länge der Trails und diese anhaltend atemberaubende Natur liessen uns tief in diese Bergwelt abtauchen. Eine Mountain-Bike Tour die alles vereint, was für mich das Biken ausmacht.
Unser Ziel: Aus den Walliser Alpen, durch die Grajischen Alpen und die Dauphiné bis in die Cottischen Alpen. Dabei steht der erste Tourentag im Zeichen des dominanten Montblanc-Massivs. Granit, Gletschereis und saftige Weiden treffen hier zusammen. Bereits der erste Passübergang zeigt was uns landschaftlich und trailmässig auf diesem Alpencross erwartet. Kaum gestartet sind wir schon mitten im Flow und tief in das Abenteuer «Westalpen-Traverse» eingetaucht. Mit permanentem Blick zum etwas wolkenverhangenen Montblanc-Massiv, erwartet uns am Nachmittag dieser «Bonus-Trail». Er muss verdient werden. Aber dann geniessen wir ein Mountain-Bike-Feuerwerk welches Glücksgefühle auslöst. Spielerisch steuern wir unsere Bikes durch die Kurven und über Hindernisse – kilometerlanger Trailspass der von mir aus unendlich lange weitergehen könnte.
Das Wetter ist labil und mir ist bereits beim Start klar, dass die Wettersituation in dieser Woche einiges an Aufmerksamkeit von mir fordert.
Heftige Regenfälle lösten unweit von unserem Startort einen Murgang aus. Die geplante Tour muss ich nahezu komplett abändern. Auch die Startzeit muss ich wegen dem Wetter anpassen. Mit knappem Zeitmanagement und auf einer fast komplett neuen Tour soll es ein Maximum an Trails geben und der ultimative Schlusstrail muss die Krönung des Tages bleiben – so mein Ziel. Wir erwischen das perfekte Zeitfenster. Kurz nach dem Start regnet es bereits wieder am Fusse des Mont-Blanc. Wir fahren aber dem Wetter davon und nach einer Stunde zeigen sich zaghaft ein paar Wolkenlücken. Wenig später wird der Blick gar frei zum Mont-Blanc (links von der Bildmitte) welcher heute frisch eingeschneit ist. Wir erreichen das Beaufort-Massiv und es gilt noch mal ordentlich Höhe zu machen. Dann erwartet uns edelste „Trailmaterie“ und wir setzen an zum finalen 2000 Meter Singletrail-Sinkflug.
Inzwischen haben wir die Grajischen Alpen erreicht. Die Berge sind hoch und die Täler tief, entsprechend lang sind die Aufstiege wie auch die Abfahrten. Auf dem ersten hohen Pass blicken wir bereits zur gletscherbedeckten Barre des Ecrins – dem südlichsten 4000-er der Alpen. Wiederum folgt eine 2000 Meter lange und abwechslungsreiche Abfahrt auf alten Hirtenwegen und ehemaligen Verbindungswegen. Beim zweiten Aufstieg erreichen wir das Grenzgebiet von Frankreich und Italien. Viele Militärwege und Festungsanlagen sind hier im zweiten Weltkrieg gebaut worden – es gibt kaum ein Übergang, welcher nicht gesichert wurde. Der Aufstieg ist lang und steil, dann folgt ein wunderschöner Trail durch ein malerisches Hochtal. Der kleine See und ein uraltes wettergegerbtes Kreuz markieren die Passhöhe. Wir stehen an der Grenze zum Piemont. Ab nun rauschen wir durch eine komplett neue Landschaft dem Tal entgegen. Lärchenwälder, saftige Alpweiden und helle Kalkfelsen prägen das Bild. Die Unterkunft ist herzlich geführt und liegt mittendrin. Jedes Mal werde ich hier von unserer Gastgeberin euphorisch begrüsst. Piemontesische Küche ist angesagt – fein, abwechslungsreich und seeehr umfangreich… Die Energiespeicher werden hier definitiv gefüllt.
Zwischen 1500 und 1945 entstanden in keiner Alpenregion so viele Militärwege wie zwischen der Ligurischen Küste und dem Montblanc. Französische und spanische Truppen überquerten an diesen Stellen den Alpenhauptkamm bereits im 16. Jahrhundert. In den Tälern, welche wir heute durchqueren, entstanden einige der spektakulärsten Festungen und das umfangreichste Militärwegenetz der Westalpen. Diese Trails leiten uns durch einsamstes Bergland immer der Grenze zwischen Italien und Frankreich entlang. Über ein halbes Dutzend Mal überqueren wir dabei die grüne Grenze. Eine Grenze die es früher bei der Bevölkerung in dieser Art nicht gegeben hatte. Denn damals war man befreundet. Man hatte dieselbe Kultur, Sprache, Identität und auch das bäuerliche Leben in den Bergen war dasselbe. Sogar geheiratet wurde über die Bergkämme hinweg. Nur die Politik zwang diese Leute, dass aus ihren Freundschaften zwischenzeitlich Feindschaften wurden.
Bis zum frühen Nachmittag bin ich wettermässig entspannt. Dann aber ändert sich das Wolkenbild und es zeichnet sich ab, dass die angegebenen Wetterprognosen nicht stimmen. Inzwischen ist mein Blick mehr auf den Himmel als auf den Trail gerichtet. Im einsamen Hochland fahren wir nun auf «Zug». Keine Stopps mehr. Nur wenig entfernt regnet es bereits heftig. Eigentlich nur eine Frage von Minuten bis es uns erwischt – aber dann kommt der Wind ins Spiel, das Wetter wird noch mal für eine halbe Stunde „verblasen“ und wir können bis zum Schluss die staubtrockenen Trails geniessen.
Am fünften Tourentag erreichen wir das «Herrschaftsgebiet» des Monviso (3841) – der so genannte Cottische Kaiser überragt seine umliegenden Berge um satte 500 Höhenmeter und ist entsprechend einer der dominantesten Berge der Alpen. Es erwartet uns eines der faszinierendsten Trailreviere der Alpen. Dank seiner Abgeschiedenheit konnte diese Talschaft den ureigenen Charakter bis heute bewahren. Durch diese abgelegene – und trotzdem zentrale Lage – entstanden hier eine Vielzahl an spektakulären und historischen Handelsrouten. Die hochgelegene Pässe – alle sind zwischen 2500 bis 3000 Meter hoch – hatten in der Vergangenheit grosse Wichtigkeit. Säumer, Hirten, Valdenser, Krieger, Schmuggler, Partisanen und viele mehr überquerten hier den Alpenhauptkamm. Die meisten dieser Pässe habe ich mit dem Bike und auf verschiedenen Crossen überquert. Sie alle gehören für mich zu den spektakulärsten Bike-Übergängen. Mit drei Pässen zwischen 2700 und 2900 ist es die Königsetappe. Aber nicht nur deshalb. Es ist vor allem auch die Landschaft und diese unendlich langen Trails durch diese enorm langen Täler. In den Alpen gibt es nur wenige solch einsame und abgelegene Gebiete wie hier. Sie erinnern sie mich an die riesigen Anden-Täler. Wir alle können kaum fassen was wir da gerade erleben – stundenlanges Trailriding…
Singletrails und Militärsteige führen durch verwinkelte Gebirgslandschaften bis in die entlegensten Winkel im einsamsten Grenzgebiet zwischen Italien und Frankreich. Heute müssen noch mal alle Kraftreserven mobilisiert werden. Wir werden verwöhnt mit wunderschönen Felslandschaften, malerischen Seen, spektakulären Militärfestungen und einzigartigen Trails. Nach so vielen Erlebnissen in den letzten Tagen scheint eine Steigerung kaum mehr möglich zu sein. Und trotzdem gibt es am sechsten Tag noch mal Trailmaterie und ein Landschaftskino auf allerhöchstem Level. Das Wetter ist und bleibt dynamisch. Die Wolken mahnen zu einem schnellen vorwärtskommen. Ich passe die Tour auf der Fahrt laufend an. Während der Blick nach Westen frei ist, bleibt das Wetter im Osten im Verborgenen – und genau von dieser Seite sollen heftige Gewitter aufziehen. Das Bergland ist verwinkelt – mehrere Pässe überqueren wir, bis der finale und spektakuläre Abfahrtsritt beginnt. Den schmalen Steig nutzten die Partisanen im 2. Weltkrieg. Gut versteckt führt er durch steile Wandfluchten in ein malerisches Seitental und unserem Ziel entgegen. Einmal mehr erwartet uns eine Punktlandung. Wir können unser Trailglück kaum fassen und kommen trocken an – eine Minute später fallen die ersten Tropfen.
Die Eindrücke, die wir seit dem Montblanc erlebt haben müssen sortiert werden… Die richtigen Worte zu finden ist kaum möglich. Wir geniessen den Abend mit einem feinen piemontesischem Abendessen und einem Foto-Rückblick auf die vergangene Woche.
Danke euch allen für dieses gewaltige Abenteuer welches mich tief geprägt hat. Danke Urs, für deine hervorragende Betreuung welche so wichtig ist. Das war einmal mehr Mountainbiking a la Westalpen mit Emotionen die ganz, ganz tief gehen! Una grande grazie mille a tutti!
Kommentare