Auf spektakulärsten Trails durch die wilde Dauphine (18. – 24. Juli)

Uralte Wege führten uns durch gottverlassene Täler und über einsamste Pässe hinweg mitten hinein in eine kaum berührte Alpenlandschaft. Hirten, Bauern, Säumer und Soldaten hatten einst diese Wege erbaut. Einige der wildesten, spektakulärsten und knackigsten habe ich beim Dauphine-Cross miteinander verknüpft. Entstanden ist eine Tour die nicht nur bis ans Limit forderte sondern uns alle mit Trail- und Landschafts-Emotionen verwöhnte die kaum in Worte zu fassen sind.


Im Grenzgebiet zwischen Savoyen und der Provence erreichen wir dieses malerische Plateau. Der tiefblaue See stellt quasi den Übergang ins hochalpine Gelände dar. Denn bereits 40 Minuten später führt unsere Route am Rande eines Gletschers entlang. Über 2400 Höhenmeter lang ist dieser Uphill, der uns mitten hinein führt in die Dauphine. Dieser Aufstieg zählt Alpenweit zu den längsten. Ab nun führen uns die Trails, während der gesamten Woche, fast pausenlos durch Höhenlagen zwischen 1600 und 2800 Metern.


Unser Trail schlängelt sich heute fast den ganzen Tag an aussichtsreichen Flanken entlang. Wir biken über Hochplateaus die ans tibetanische Hochland erinnern und erklimmen spektakuläre Schultern von welchen gewaltige Felswände in die tiefen Täler abfallen. Wir wägen uns im schönsten Trail-Traum. Flow, Panorama und Glücksgefühle vereinen sich. Mit kurzen Unterbrüchen sind wir satte fünf Stunden auf diesem Panoramatrail unterwegs und blicken dabei permanent zum Pellvoux-Massiv. Vor uns türmt sich die 3983 Meter hohe La Meije in den Himmel. Obwohl der Berg die 4000-Meter-Marke knapp verfehlt und von der benachbarten Barre des Écrins deutlich überragt wird, dürfte er nach dem Mont Blanc der bekannteste Berg Frankreichs sein.


Heute biken wir mitten hinein in den höchst gelegenen Kulturraum Europas. Es ist das Land der einsamen Hirten die hier in den Sommermonaten mit ihren Schafen unterwegs sind. Auf vergessenen Trails und an verlassenen Alpsiedlungen vorbei geht es immer weiter in die malerische Einsamkeit. Die 1500 Meter tiefe Schlucht unter uns war lange Zeit unpassierbar und so hat diese Talschaft – welche aus acht Gemeinden besteht – bis heute ein Grossteil ihrer Ursprünglichkeit bewahrt. Lange Zeit war sie nur über hohe Pässe mit der Aussenwelt verbunden. Und von diesen Pässen gibt es eine Vielzahl, sie führen in alle Himmelsrichtungen. Die alten Wege sind Zeugen von der einstigen historischen Wichtigkeit dieser Alpenregion. Denn beim alpenüberquerenden Saumhandel hatte sie während Jahrhunderten eine entscheidende Bedeutung.


Ein wahrer Panorama-Militärpfad führt uns kurzzeitig zurück in die verwinkelten Täler des Brianconaise. Im Hintergrund sind wieder die Gletscher des Pellvoux Massivs zu erkennen. An den schattig-steilen Gebirgsflanken krallen sich fast 300 verschiedene Gletscher fest. Aufgrund seiner schroffen Gipfel, steilen Wände und zerrissenen Gletscher wird dieses Massiv auch als «Karakorum der Alpen» bezeichnet. Die eindrucksvollen und mächtigen Felsspitzen stemmen sich bis 4102 Meter (Barre des Ecrins) hoch in den Himmel. Die «Barre» ist somit der südlichste und westlichste 4000-er des Alpenbogens. Erst in 100 km Entfernung werden im Montblanc-Massiv grössere Höhen erreicht.


Zweimal überqueren wir an diesem Tag den Alpenhauptkamm. Mit knapp 3000 Höhenmetern ist es die Königsetappe. An diesem Übergang tauchen wir nochmal ein in die völlige Einsamkeit des Französisch-Italienischen Grenzgebietes. Zwischen 1500 und 1945 entstanden in keiner Alpenregion so viele Militärwege wie in den südlichen Westalpen. Französische und spanische Truppen überquerten hier den Alpenhauptkamm bereits im 16. Jahrhundert. Dies war zugleich der Beginn vom Aufbau eines neuzeitlichen und strategisch wichtigen Militärwegenetzes.


Der letzte Tag fordert uns noch mal mit einem wettermässig unbeständigen Vormittag. Nach einem kleinen Schauer ist der Spuck aber bereits vorbei und mehr und mehr kommt die Sonne wieder zum Vorschein. Wir fahren noch mal auf über 2500 Meter hoch und überwinden das letzte Mal den Alpenhauptkamm. Mit 1700 Höhenmetern gilt die heutige Tour als «Sprintetappe». Sie führt uns aus der Provence zurück nach Savoyen zu unserem Ausganspunkt. Nochmal erleben wir Natur pur und die faszinierend langen Trails der Dauphine.
Eine unglaubliche Fülle an prägenden Bikeemotionen sind für mich in dieser Woche zusammengekommen. Ganz herzlichen Dank für diese gewaltigen Erlebnisse die ich mit euch zusammen in den höchsten Bergen der Westalpen erleben durfte.

Kommentare

31. Juli 2020
Besser als Luki hätte ich es nicht formulieren können: Die spektakulären Up- und Downhills forderten in der Tat bis ans Limit! Spektakulär sind aber vor allem die unzähligen Eindrücke und Emotionen, die beim Dauphine-Cross in den Westalpen entstanden und geblieben sind. Genau diese Kombination ist es, die mich immer wieder motiviert, mich solch herausfordernden Abenteuer zu stellen. Ich freue mich schon jetzt auf das nächste Mal!
Oskar Lindinger
28. Juli 2020
Hallo Luki, das war wieder eine tolle Tour in einer atemberaubenden Landschaft, mit zahlreichen einsamen Passübergängen, tollen Trails uphill wie downhill, authentischen Unterkünften und oft hervorragendem Essen! Alles bei gutem Wetter und diesmal sogar mit einem Hüttenstopp - was will man mehr? Besten Dank auch fürs passende Guiding, Oskar

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