Ein orientalisches Trail-Feuerwerk mitten im Hohen Atlas. Die faszinierende Gebirgswelt, das uralte traditionelle bäuerliche Leben in den weltentrückten Dörfern und die unendlich langen Berber-Trails, prägen uns für immer. Was wir in Marokko in „nur“ sieben Tagen erlebten, ist kaum in Worte zu fassen und hinterlässt tiefe emotionale Eindrücke.
Am Ankunftstag erleben wir bereits das pulsierende Leben in Marrakech. Mit den Bikes erkunden wir die Neustadt wie auch die Medina (Altstadt) – hier tauchen wir mitten hinein in eine andere Welt. Wir erleben die sagenumwobene orientalische Kultur.
Am nächsten Morgen geht es dann ins Atlas-Gebirge. Der erste grosse Kammrücken zeigt uns bereits die Charakteristik der Atlas-Trails. Eine saubere, verspielte wie auch kontrollierte Fahrweise ist gefragt. Definitiv eine Herausforderung, weil man sich schlicht an den ganzen Landschaftseindrücken kaum satt sehen kann. Die Hangflanke links von uns, fällt steile 1000 Meter zur grossen Ebene hinunter ab. Rechts von uns stemmen sich die Berge bis über 3000 Meter hoch in den Afrikanischen Himmel. Die Aussicht beeindruckt und lässt uns staunen. Was wir heute an Trails serviert bekommen, ist erst der Vorgeschmack auf die kommenden Tage.
Unendlich lange Trails und weit abgeschiedene Berber-Dörfer prägen das Bild des zweiten Tourentages. Der Kontrast zu Marrakech ist enorm. Ein weiteres Mal werden wir in eine, für uns komplett neue, Welt versetzt. Dutzende von Kilometern biken wir über uralte Eselpfade. Sie verbanden einst die Bergdörfer mit den grösseren Dörfern am Rande des Atlasgebirges. Bis vor wenigen Jahren, waren diese Wege für die Berber, die einzigen Verbindungen zur «Aussenwelt». In den letzten Jahren wurden die abgelegenen Dörfer vermehrt mit Schotterwegen erschlossen. Für die Berber ist aber der Esel nach wie vor DAS Transport- und Arbeitstier. Motorisiert oder mechanisiert ist hier nichts und niemand. Und so sind die versteckten Eselpfade in bestem Zustand und für versierte Biker ein wahr gewordener Trail-Traum.
Am dritten Tourentag geht’s kontinuierlich nach Westen. Wiederum reihen wir Trail-Spektakel an Trail-Spektakel. Diese Wege zu finden ist eine Herausforderung. Nur an wenigen Orten sind sie so offensichtlich wie hier. Immer wieder gibt es Abzweiger – die richtige Fährte zu finden erfordert grosses Geschick. Denn angeschrieben oder markiert ist keiner dieser Trails. Stimmt die Route ist stundenlanges «Trailriden» garantiert. Denn die Esel mögen keine steilen Anstiege und so führen diese Wege kilometerlang und mit sanftem Gefälle durch das Gelände – dies ist auch der Grund weshalb diese einzigartigen Höhentrails entstanden sind.
Gewaltige Ebenen mit kaum fassbaren Dimensionen prägen den Mittleren Atlas. Nach 800 Höhenmetern tauchen in eine neue Welt ein. Die Berge lehnen sich zurück, in den Tälern gibt es viel Platz für die Bauern, die ihre kargen Getreidefelder bestellen. Auf traditionelle Art mit Sichel geschnitten wird das Erntegut kilometerlang auf Maultieren in die Dörfer gebracht. Wir steigen kontinuierlich bergan bis zu unserer Unterkunft auf 2000 Metern.
Diese Welt zieht mich tief in den Bann. Es kommt mir vor, als ob ich bereits seit Monaten unterwegs bin – das «moderne» Europa ist unendlich weit weg. Hier in dieser Welt haben die Uhren wie auch das Leben definitiv einen anderen Tackt.
Diese Trails, diese farbintensiven roten Untergründe, die gelben und grünen Felder, die Gerüche und das traditionelle Leben der Berber hinterlassen heute besonders tiefe Emotionen. Von den weiten Hochebenen geht es spektakulär in die tiefen Täler hinunter und wieder zurück. Auf den Feldern herrscht emsiges Treiben. Mit Heu vollbepackte Esel sind unterwegs. Es ist ein karges Leben aber die Berber haben sich mit der Natur arrangiert und sie machen einen zufriedenen Eindruck. In den Dörfern werden wir begrüsst. Die Kinder stehen am Wegrand und halten uns ihre Hände entgegen – wir klatschen sie ab, sie sind begeistert, sie lachen und sie rufen uns zu.
Kaum enden wollende Singletrails führen uns am letzten Tag aus den hohen Bergen zurück ins riesige Flachland vor dem Atlas. Wir geniessen noch mal die grünen „Oasen“ in den Tälern rund um die Berberdörfer. Mit Bewässerungskanälen und mit Hilfe von Terrassierungen ringen sie dem kargen Boden Früchte, Gemüse und Getreide ab. Es fasziniert mich wie in den völlig abgeschiedenen Tälern die Bergdörfer überleben. Während vor allem in den Westalpen vor 150 Jahren eine zerstörerische Abwanderung einsetzte, pulsiert hier in den weltentrückten Dörfern nach wie vor das traditionelle bäuerliche Leben. Dieser zehn Kilometer lange Trail schmiegt sich kunstvoll an die steile Bergflanke. Bis zum Bau der Strasse war dies eine wichtige Verbindung von den Bergen, hinaus zu den riesigen Ebenen vor dem Atlasgebirge.
Wir sind im Atlas abgetaucht in ein Leben, dass sich die vergangenen Jahrhunderte kaum verändert hat. Enorm beeindruckt und tief berührt hat uns diese Tour, die uns in eine völlig unbekannte und neue Welt führte. Es wird Zeit brauchen all die Emotionen zu verarbeiten. Vielen, vielen Dank liebe Atlas-Biker/innen für diese Singletrail Tour, die wir zusammen im ursprünglichen Berberland erleben durften.
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