Nur noch selten hört man bei den Einheimischen den Namen «Limidario». So nannten sie früher «ihren» Lago Maggiore. Es scheint, dass diese Zeit schon längst vorbei ist. Verlässt man jedoch das Seeufer und taucht ein in die Bergwelt, die ihn säumt, dann sind diese Zeitzeugen noch omnipräsent. Einsame Dörfer, Sacro Montis, atemberaubende Militärwege (Foto), vergessene Mulattieras, alte Schützengräben und endlos lange Singletrails. Eine Panorama-Tour die das mediterrane Ambiente mit den wilden Bergen der Lepontinischen Alpen verbindet.
Der erste Berg erwartet uns mit einer lupenreinen Gipfelfahrt von 1500 Höhenmetern. Die Waldgrenze ist erreicht und die Sicht wird nun mit jedem Meter umfangreicher. Wir werden von den ersten Sonnenstrahlen erfasst. Tief unter uns ist der 65 Kilometer lange Lago Maggiore in seiner gesamten Länge zu sehen. Die Aussicht prägt – vor allem weil wir von hier oben die meisten unserer Berge erblicken, die wir in diesen zwei Tagen erklimmen. Über ein halbes Dutzendmal fahren wir dabei vom Seeufer, des zweitgrössten See Italiens, zu den höchsten Bergen empor.
Vier Stunden später sind wir schon fast auf zweiten grossen Berg und haben bereits 3000 Hm in den Beinen. Mit dem Seeufer und der Dufourspitze erblicken wir von unserem Trail den tiefsten wie auch den höchsten Punkt der Schweiz. Weil strategisch wichtig gelegen, befinden sich hier einige der seltenen schweizerischen Militärwege. Dieser hier führt zu einem Beobachtungsposten und einer kleinen Militärunterkunft.
Die Grenze nach Italien haben wir überquert und ab nun folgen wir der «Linea Cadorna». Im 1. Weltkrieg wollte Italien einen möglichen Durchmarsch deutscher Truppen durch die Schweiz in die Poebene mit allen Mitteln verhindern. So wurde auch am Lago Maggiore, von 1911 bis 1916, diese Verteidigungslinie aufgebaut die über viele Berge führt.
Wie alle oberitalienischen Seen ist auch der Limidario durch das Abschmelzen der Gletscher entstanden. Im nördlichen Teil sind die Berge am höchsten und die Ufer am steilsten. Ganz im Süden reicht der See hinaus bis an den Rand der Poebene. In dieser flachen Region entstanden schöne Naturschutzgebiete welche mit malerischen Trails «geschmückt» sind, jedoch für unsere Tour quasi zu flach sind. Und so wartete nach vier grossen Bergen und fast 16 Stunden eine Überraschung in Form eines Charter-Bootes auf uns. Um 20:30 setzten wir auf diesem Weg zum Westufer über wo wir in einem Seehotel mit feinstem Pasta-Buffet bereits erwartet werden.
Auch heute startete der Tag um 5 Uhr in der Früh. Der erste Berg gilt als der vielleicht schönste Aussichtsberg am «Lago». Ganze sieben Oberitalienische und Tessiner Alpenseen sind zu sehen, unzählige Bergmassive vom Monviso im Westen bis zum Piz Bernina im Osten sind zu erkennen. Nur gerade 45 km entfernt thront die mächtige Monte-Rosa Ostwand, die höchste Wand der Alpen. Einmal mehr bin ich überrascht, wie gut sich die Beine vom Vortag erholt haben und sich dieser erste Berg fahren lässt.
Immer wieder erleben wir beeindruckende Relikte der Linea Cadorna. Insgesamt sind damals 72 km Schützengräben, 88 Artillerie-Stationen, 296 Kilometer Militärstrassen und 398 Kilometer Saumpfade entstanden auf welchen schlussendlich keine Kampfhandlungen statt fanden. Auf vielen diesen Wegen erleben wir heute feinstes Bike-Feeling, das uns unsere Müdigkeit ein wenig vergessen lässt.
Der zweite Berg ist geschafft. Vor uns das Valle Cannobina und der mächtige Gridone der mit 2187 müM der höchste Berg des Lago Maggiore ist. Es geht in meine zweite Heimat, denn in diesem Tal habe ich sämtliche meiner Schulferien verbracht. Es folgen Militärsteige, später uralte Hirtenpfade und ab den höchstgelegenen Bergdörfern geht es auf den Jahrhunderte alten und spektakulär angelegten Mulattieras bis ans Seeufer hinunter.
Wie immer bei 2 mal 5000 Hm ist der letzte Berg nicht nur eine Kraftsache, sondern auch eine Kopfsache. Noch mal geht es 1200 Höhenmeter berghoch. Die steilen Täler waren für den Schmuggel und die Partisanen besonders interessant. Für das Militär waren sie strategisch wichtig. Und für uns Biker entstand ein Wegenetz, das sich auf vielfältige Art kombinieren lässt. Nach der grossen Abwanderung und dem Kriegsende gingen viele diese Wege vergessen. Wir spürten sie auf und tauchten ab in eine längst vergangene Zeit.
Kaum fassbar was wir in zwei Tagen erlebt haben. Mir scheint es, als ob wir eine ganze Woche unterwegs waren. Die 10‘000 Höhenmeter haben wir in den Beinen. Wir sind so richtig zufrieden, geniessen den Moment, die Stimmung und den Teamspirit.
Ganz herzlichen Dank für dieses unglaubliche Erlebnis und ganz herzliche Gratulation für diese Leistung. Auch am Tag danach ist es kaum vorstellbar was wir geschafft haben. Das waren Bikeemotionen vom allerfeinsten! Danke auch für den grossartigen Verpflegungs- und Betreuereinsatz von Peter – Dank ihm war diese Tour in dieser Art überhaupt möglich.
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