Auf wilden Trails durch die südlichsten Alpen (9. – 15. April)

Auf einem längst vergessenen Wegenetz erwarteten uns fahrtechnische Herausforderungen und atemberaubende Landschaften. Einsame Dörfer, tiefe Schluchten, steile Bergflanken und karge Hochplateaus stehen im Kontrast zur mondänen Welt der Côte d’Azur. Im wilden und ursprünglichen Hinterland erlebten wir die geschichtsträchtigen Trails der Sarazenen. Mitten in den Ligurischen Alpen, in die Seealpen und zum Schluss noch im Esterelgebirge erwarteten uns Trails von der edelsten Sorte.


Am südlichen Alpenhauptkamm gibt es besonders viele wilde und tief eingeschnittene Täler. Viele von ihnen wurden einst „erschlossen“ und führen zu längst vergessenen Übergängen oder hoch zu aussichtsreichen Dörfern. Bewusst wurden diese Dörfer an Orten gebaut, die sich von einfallenden Sarazenen gut verteidigen liessen. Gerade Heute sind jedoch diese Dörfer massiv von der Abwanderung betroffen. Schon der erste halbe Tourentag beschenkt uns mit einer Vielzahl an historischen Wegen in einer längst vergessenen Bergwelt.


Mit einer Wegebautechnischen Meisterleistung wurde im Mittelalter diese Schlucht begehbar gemacht. Dabei wurde gar ein Felsriege durchbrochen. Der Legende nach flohen im 4. Jh. eine Gruppe von Banditen auf dieser Route aus den Seealpen, über den Alpenhauptkamm, in die verlassenen Täler der Ligurischen Alpen. Hier auf der anderen Kammseite gründeten sie ein Dorf, welches bis heute existiert. Wir folgen ihren Spuren jedoch in umgekehrter Richtung und erreichen am Abend die Seealpen.


Die Orientierung geht heute schnell verloren, unzählige Täler und Pässe durch- und überqueren wir. Auf den hohen Bergspitzen ganz im Norden liegt noch der letzte Schnee – ein „Stockwerk“ tiefer hat der Frühling längst begonnen. Dieser kilometerlange Trail ist die alte Salzhandelsroute der Ligurer die via Tendapass ins Piemont führt. Wir geniessen hoch über dem Talboden einen Höhentrail der niemals enden sollte…


Kaum zu glauben, dass es nur wenige Kilometer von der Küste entfernt völlig entvölkerte Talschaften gibt. Stundenlange Trails führen uns durch diese stille Einsamkeit und mitten durch ein Geisterdorf. Einst als Lebensraum begehrt lebt hier schon längst niemand mehr. Als die modernen Strassen kamen wurde es nicht erschlossen und geriet in dieser Abgeschiedenheit vollends in Vergessenheit.


Hoch in den steilen Gebirgsflanken haben wir übernachtet – nur zwei Minuten nach dem heutigen Start sind wir auf diesem aussichtsreichen Höhenweg. Acht Kilometer lang und 700 Meter über dem Talboden windet er sich durch die steilen und felsigen Flanken. Es ist der alte Verbindungsweg ins Nachbardorf. Ich gab ihm spontan den Namen «Inkatrail».


Geologie und Vegetation ändert sich an den letzten beiden Tagen abermals. Die Täler werden offener, die Böden karger, das Klima rauer und die Dörfer werden rar. Küste und Berge liegen so nah – aber der Klimaunterschied könnte kaum grösser sein. Die Waldgrenze liegt hier auf 1200 Meter. Für mich ist diese Schulter ein nahezu magischer Ort – nirgends haben wir einen solch umfangreichen Blick über die Côte d’Azur wie hier. Kommt dazu, dass nun eine wunderbare Abfahrt auf uns wartet. Wie auf der gesamten Tour ist auch sie heissblütig und mit ordentlicher Rasse.


Kaum vorstellbar, dass die mondänen Orte wie Menton, Monaco, Nizza oder Cannes so nah sind. Hier im Hinterland scheinen die Uhren längst still zu stehen. Diese Trails waren einst wichtige Verbindungsrouten zwischen den Dörfern. Heute sind wir alleine auf ihnen unterwegs und erleben die südlichsten Alpen in ihrer ursprünglichen Form.
So viel Einsamkeit hätte an der Côte d‘Azur wohl kaum jemand erwartet. Und dann noch diese Trails…! Der erste Alpencross der Saison war bereits ein Trailfeuerwerk der grossen Extraklasse.
Grazie mille an euch alle für dieses gemeinsame „Sarazenen-Cross-Erlebnis“ in den südlichsten Alpen.

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