Fatbike-Expedition im höchsten Norden Europas (5. – 12. März)

Dreihundert Kilometer nördlich des Polarkreises startete unser Abenteuer. Es ging durch den höchsten Norden des europäischen Festlandes bis zum Polarmeer. In Finnisch und Norwegisch Lappland bikten wir dabei mitten durch das grösste Wildnisgebiet Europas mit einer Bevölkerungsdichte von gerade mal 0,46 Einwohner pro km2. Wir erlebten atemberaubende Naturschauspiele, tiefgreifende emotionale Momente, einzigartige Stimmungen und absolute Einsamkeit. Einmal mehr wurde ich tief in den Bann gezogen vom hohen Norden – es gibt keine Worte um diese Emotionen annähernd zu beschreiben.


Während sich in der Schweiz bereits der Frühling bemerkbar macht, befinden wir uns in Lappland im allertiefsten Winter. Wunderschöne Winterlandschaften und klirrende Kälte. Am zweiten Tag biken wir durch die kälteste Region unserer Tour und tauchen vollends ein in diese beindruckende Einsamkeit. Tiefsttemperatur heute -26°C, dies ist mein Guiding-Rekord! Die Durchschnittstemperatur dieses Tourentages war bei -15°C, da schätzt man die Sauna am Abend gleich doppelt. Mit guter Kleidung, viel Bewegung, heissem Tee und heisser Suppe lässt sich diese Temperatur bewältigen. Eine spektakuläre Erfahrung die wir Dank unseren Betreuern Lauri und Jorge machen durften. Ich überlege mir gerade, wo ich meine Guiding-Maximaltemperatur erlebt hatte… Es war beim Pyrenäencross von 2017, da gab es +43°C.
Heute übernachten wir in einer feinen Hütte welche weit abgelegen, auf einer Insel, mitten im Nirgendwo liegt. Die Stimmung, die Natur und das Licht, das wir da erleben dürfen, prägt uns.


Die Temperaturen sind am dritten Tag ca. 10°C wärmer. Die Morgenstimmung zieht uns in den Bann. Die Tage sind mit 13 Stunden relativ lang aber die Sonne steht nur wenig über dem Horizont und entsprechend lang sind die Schatten.
In der Nacht gab es mit ca. 10 cm Neuschnee mehr Schnee als gedacht. Der auffrischende Wind verfrachtete den weichen Pulverschnee. Im offenen Gelände werden wir nun von Triebschnee erwartet und der Tag wird zum grossen Härtetest. Im Wald und in den Buchten ist der Weg kompakter, aber auch hier braucht es heute enorm viele Körner. Wir erreichen das Ende des 1049 km2 grossen Inarisee – dem Heiligen See der Sami mit seinen 3000 Inseln. Auf einer kleinen Landzunge übernachten wir heute in der abgelegensten Hütte der gesamten Tour. Am Abend verwöhnt uns ein Sonnenuntergang von der edelsten Sorte und in der Nacht erwarten uns die ersten zaghaften Nordlichter.


Mit durchschnittlich zehn Seen pro Quadratkilometer, gibt es hier die grösste Seendichte Finnlands. Entsprechend oft fahren wir über kleine Erhebungen und erreichen immer wieder neue kleine Seen und Teiche, die wir überqueren. Dazwischen liegen offene Föhrenwälder. Nur im Winter wenn alles zugefroren ist, ist für uns diese Region und diese Landschaft überhaupt per Bike erreich- und erlebbar. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt −1,3 °C und eine bleibende Schneedecke herrscht hier meist zwischen Ende Oktober und Mitte Mai.
Der Schnee ist heute wieder kompakt und wir kommen gut voran. Das Mittagessen geniessen wir diesmal in einem kleinen und typischen Restaurant. Am heissen Schweden-Ofen wärmen wir uns auf und werden dabei von einer dampfenden Wurst- und Gemüsesuppe verwöhnt.


Das Sonnenlicht zaubert in der klaren Polarluft faszinierende Farben in die unberührte Landschaft. Nur das Knirschen unserer Reifen ist zu hören. Fatbike-Spirit wie wir ihn noch nie erlebt haben…


Der Landschaftstyp ändert sich nun innerhalb weniger Meter. Die Föhrenwälder weichen der Tundra-artigen Vegetation wo in niedrigen Lagen nur noch gedrungene Birken wachsen. Das Gelände wird coupierter denn wir erreichen die letzten Ausläufer der „Skanden“, dem Skandinavischen Gebirge. Durch die sehr nördliche Lage herrschen hier extreme jahreszeitliche Unterschiede in der Sonnenscheindauer. Zwischen 24. Mai und 21. Juli scheint die Mitternachtssonne, entsprechend herrscht zwischen 4. Dezember und 8. Januar die Polarnacht.
Um ans Polarmeer zu kommen müssen wir Finnisch Lappland verlassen und die Grenze nach Norwegen überqueren. 1852 gab es hier eine neue Grenzziehung zwischen Schweden-Norwegen auf der einen und dem Grossfürstentum Finnland auf der anderen Seite. So reicht Finnlands Grenze heute nicht mehr bis zur Nordägäis und behinderte für lange Zeit die grenzüberschreitende Rentierzucht und Fischerei der Samen.


Über die letzten Ausläufer des 1700 km langen Skanden-Gebirges geht es Richtung arktischer Ozean und dann ist nach 300 km dieser Punkt erreicht, wo wir das erste Mal das Nordpolarmeer erblicken. Die klimatischen Bedingungen erforderten eine Routenanpassung. Die bisherige Strecke führt über einen Fluss zu «unserem» Strand. Das Eis ist dieses Jahr jedoch viel zu schwach und wir haben bereits im Vorfeld diesen Tag abgeändert. So war dieser Hügel mit seiner wundervollen Sicht auf die gefrorene Meeresbucht das Ziel. Ganz im Hintergrund ist der offene Ozean zu erkennen.
Ein gewaltiger und ebenso emotionaler Moment, den wir an einem der nördlichsten Landzipfel Europas erleben. Über Jahrhunderte wurden hier durch den Mut von Seefahrern, Abenteurern und Pionieren die spektakulärsten Abenteuergeschichten geschrieben. Heute aber schreiben wir an dieser Stelle und für uns persönlich ein Stück Abenteuergeschichte. Ein Abenteuer, das uns für immer in Erinnerung bleiben wird.
Zurück in der Unterkunft startete um 20 Uhr das mystische Schauspiel der tanzenden Nordlichter. So sehr hatte ich mich darauf gefreut dieses Naturphänomen zu sehen und zu erleben. In kurzer Zeit steigerte sich dieses Schauspiel, welches uns zutiefst beeindruckte. Die Emotionen, die man in diesem Moment spürt, sind in Worte nicht zu fassen.


Wir hätten uns so schön ans Fatbiken, die Temperaturen, an die Lichter und Stimmungen gewöhnt – aber leider geht es nach einer Woche wieder zurück. Wir lassen es uns nicht nehmen und machen noch den obligaten Fatbike-Flowtrail-Morgen-Ride und erleben dabei diesen Sonnenaufgang. Wir sind einfach nur happy und geniessen diesen letzten Augenblick im hohen Norden. Aber schon jetzt ist klar, 2023 gibt es die nächste Tour durch den hohen Norden bis zum Polarmeer.
Euch allen ein ganz grosses Danke für dieses einzigartige Erlebnis, das mich auf so vielen Ebenen tief bewegt.

Kommentare

Felix Vogel
22. Mai 2022
Schon wieder ein paar Monate her, aber noch immer voll in Erinnerung. Zurzeit haben wir über 50 Graf Differenz zu damals, Wahnsinn. Auch der Schweiss läuft nicht so in Strömen wie jetzt. Freu mich aufs nächste mal. Besten Dank Luki, ist immer eine Reise mit dir Wert. Gruss Felix
15. März 2022
Lieber Luki Das volle Programm mit Nordlichter, hoch oben in Lappland! Herzlichen Dank Luki das Du für uns diese Tour durchgeführt hast. Deine super Fotos lassen mich bestens daran zurück erinnern. Ja es war eine der besten Tourenwochen, Du hast die Tour dermassen optimiert, dass wir fast immer mit Rückenwind unterwegs waren. So viele schöne Momente gab es und die Gruppe war Top! Es ist so schön mit Dir Ferien zu machen, an Orten zu Biken wo „normalos“ gar nie hinkommen. Diese Tour steht auf der „to do Liste“ für alle Biker welche ihren Bikepalmares erweitern wollen! Take care Luki und bis bald. Liebe Grüsse Oli
15. März 2022
Luki - Danke - Dein Reisebericht ist super - aber nichts übertrifft das Privileg bei einer solch eindrucksvollen Reise in der Tat dabei sein zu dürfen. ...und schon sehnt man sich zurück in diese wunderschöne Welt, jehnseits von Zivilisation (und Krieg) - in Gemeinsamkeit mit tollen Kumpeln. ..paar Körner gebraucht aber sehr viel Energie getankt .. Patrick

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