Kilimanjaro by Bike (1. – 11. Oktober 2023)

Kilimanjaro, der höchste freistehende Berg der Welt und der höchste Berg Afrikas. Nur mit einem ausgeklügelten Akklimatisations-Management schaffen wir es mit dem Bike auf einen der Seven Summmits.
Die Dimensionen dieses Berges, das Erlebnis, die Bilder, die Aussicht, das Befahren aller Klimazonen, der Höhenunterschied, die Menschen und das Leben vor Ort – es ist eine Biketour die in vielerlei Hinsicht absolut einzigartig ist…


80 km lang, 60 km breit und 5895 Meter hoch ist der Kilimanjaro. Schon bei diesem Anblick scheint er nahezu unerreichbar zu sein – noch viel weiter weg war er unmittelbar nach unserer Ankunft – denn drei Bikes (inkl meines) sind beim Umsteigen in Istanbul hängen geblieben. Bis zum Tourstart haben wir noch 30 Std. Zeit. Ich setze alle Hebel in Bewegung – drei unterschiedliche Büros (Reisebüro / Flughafen Zürich / Flughafen Arusha) versuchen unsere Bikes aufzuspüren. Die Stunden verggehen und es scheint, dass sich beim Flughafen Istanbul niemand dafür interessiert. Einen Tag später wird auch noch der Flug Istanbul-Arusha gestrichen und so ist klar, dass unsere Bikes auch 24 Std. später nicht eintreffen werden. Wir brauchen einen Plan «B». Ich verschiebe die gesamte Tour am Berg um einen Tag. Die Auswirkungen sind immens. Das gesamte Team von 40 Personen (Träger, Küchenteam, Guides) müssen sich in Kürze umdisponieren, für den Nationalpark gilt es neue Permits zu kaufen, Lebensmitteleinkäufe werden umgeplant, Hotels werden umdisponiert, neue Shuttletransporte gilt es zu organisieren. Für die Rückreise würde im Moment alles funktionieren da ein «Puffertag» eingeplant ist. Vorsichtshalber kläre ich ab, ob wir den Rückflug verschieben könnten (dies wäre Plan «C»), falls die Bikes nicht ankommen und wir die gesamte Tour noch um einen weiteren Tag verschieben würden. Dies stellt sich aus vielen Gründen jedoch als kaum realisierbar heraus.
Nun gilt es das unmögliche möglich zu machen und zu klären, ob wir irgendwo «vernünftige» Miet-Bikes auftreiben können (Plan «B.1.»). Und tatsächlich könnten wir was «brauchbares» organisieren. Nicht ideal aber besser als nichts und vor allem ist es jetzt fix, dass es nicht noch einen weiteren Verschiebetag geben wird und wir die Tour definitiv am nächsten Morgen – resp in 13 Std. – starten werden. Wir hoffen nun, dass unsere Bikes mit zwei Tagen Verspätung eintreffen (Plan «B.2.»). Dies wäre dann 5 Std. vor Tourstart. Inzwischen sind 30 Stunden vergangen und das Reisebüro in der Schweiz so wie der Airport Zürich haben noch keine Antwort aus Istanbul über den Verbleib unseres Gepäcks. Ganz geschweige wann dieses bei uns eintreffen könnte. Obwohl auch sie alle Hebel in Bewegung gesetzt hatten, scheint dies keine verantwortliche Person in Istanbul zu interessieren. Mein Freund Richard von Tansania hat einen Freund beim Flughafen Arusha, der wiederum einen Freund hat am Flughafen in Istanbul. Nun soll es dieser Freund irgendwie schaffen, dass unsere Bikes auf den nächsten Flieger gehen. Aber er kann dies nur für unser Gepäck arrangieren – denn viele andere Reisenden von unserem Flug hatten ihr Gepäck auch nicht erhalten. Noch 12 Std. bis zum Start und Richard sagt mir, dass sein Freund gesagt hat, dass unsere Bikes zu 95% eintreffen werden. Ich kann es mir kaum vorstellen… Um 2 Uhr werden wir geweckt und fahren zum Flughafen. Kurz vor 3 Uhr sind wir da. Die Maschine aus Istanbul ist vor einer Stunde gelandet. Der Flughafen ist bereits leer als wir eintreffen. Im Ausgangsbereich brennt noch Licht. Ein Zöllner und der Freund von Richard erwarten uns. Ich kann es kaum glauben, aber mitten in der Nacht im komplett leeren Flughafen stehen tatsächlich unsere drei Bikebags – ich muss zuerst in die Bags reinschauen, bevor ich es wirklich glauben kann. Ein paar Formulare unterschreiben, das Gepäck durchleuchten lassen und die Sache ist erledigt. Ich habe keine Ahnung, was dieser Freund von Richard für Beziehungen hat – auf jeden Fall hat er den Flughafenbetrieb Istanbul (grösster Airport Europas) und Arusha im Griff. Um 4:30 Uhr sind wir wieder in der Unterkunft. Überglücklich. Noch 90 Minuten Schlaf. Um 6 stehen wir auf, bauen die Bikes zusammen und um 7 Uhr starten wir hinein ins Abenteuer Kilimanjaro.


Am Morgen ist der Himmel verhangen und es regnet immer wieder. Irgendwie spüre ich, dass mir dies so egal ist wie noch selten. Durch die Freude über den Erhalt unserer Bikes bin ich wie in einem Flash. Trotzdem plane ich noch etwas um und statt durch die sattgrünen Bananen-Plantagen zu biken starten wir unsere Tour am Beginn des Dschungels auf 1900 Metern Höhe. Hier beginnt der Nationalpark und enden die menschlichen Besiedlungen. Auf diesem Schotterweg – er dient im untersten Abschnitt auch als «Rettungsstrasse» für verunfallte Berggänger – erreichen wir unser erstes Camp auf 2900 Metern. Der Urwald geht hier langsam über in eine Buschlandschaft. 3000 Meter über unseren Köpfen würden wir hier den weit zurückversetzte Kilimanjaro das erste Mal an diesem Tag sehen. Es soll nicht sein – aber immerhin haben sich die Niederschläge in Grenzen gehalten so dass bei mir nur die Schuhüberzüge zum Einsatz kamen.


Am zweiten Tag fahren wir in unser Höhenlager auf 3700 Metern. Der Dschungel ist der Steppenlandschaft gewichen. Wettermässig sieht es etwas besser aus. Wobei wir erst im allerletzten Teil durch den Nebel stossen und das riesige Nebelmeer unter uns lassen. Die Böden werden je höher wir kommen, desto trockener – die Vegetation beschränkt sich in diesen Lagen auf Büsche und exotische Pflanzen.
Jetzt endlich öffnet sich der Blick zum Kilimanjaro im Hintergrund. Auch nach so vielen Höhenmetern erscheint er uns immer noch weit entfernt. Und dabei täuscht der Blick gewaltig. Denn eines ist klar an diesem Berg – die Distanzen und Dimensionen sind enorm. Aber wenn alles klappt mit der Akklimatisation stehen wir in vier Tagen auf dem Gipfel.


Durch die enorme Höhe gibt es bei der Befahrung des Kilimanjaro diverse Parallelen zum Höhenbergsteigen. So unternehmen wir am dritten Tag eine Akklimatisationstour am Fusse des Mawenzi (5149 m) – einem der drei Berggipfel, die zum Kilimanjaro Massiv gehören. Vor uns also der markante Mawenzi, rechts von uns würden wir das riesige Nebelmeer über der Steppe der Massai sehen. Links im Dunst sind die über 2000 Meter hohen Chyulu Hills von Kenia zu erkennen.
Wir erreichen auf diesem weiten Hochplateau eine Höhe von 4470 Meter. Später fahren wir auf einem knackigen Trail wieder hinunter zu unserem Höhenlager auf 3700 Metern. Wie bereits an den vorangegangenen Tagen gilt es Kraft und Energie zu sparen, um sich möglichst gut an die Höhe anzupassen.


Ein Singletrail führt heute bergan bis zu unserem dritten Camp auf 4550 Meter. Dazwischen gibt es eine kurze Abfahrt- hier erleben wir die faszinierende «Höhenwüste» besonders intensiv. Sie zieht uns tief in ihren Bann. Der Kilimanjaro präsentiert sich nun wie auf dem Serviertablett inklusiver einer schönen «Wolkenmütze». 1600 Meter ragt er noch über das vor uns liegende Hochplateau hinaus.
Das Zeltquartier befindet sich heute auf der Höhe der Capanna Margherita – der höchst gelegenen Berghütte der Alpen. Die Höhe ist nun deutlich zu spüren. Bereits kleine Anstrengungen lassen Puls- und Atemfrequenz in die Höhe schnellen.


Am fünften Tag ist unsere Höhenakklimatisation abgeschlossen. Der Kilimanjaro zeigt sich von seiner schönsten Seite. Wir werden geradezu magisch angezogen. Aber auch ganz viel Respekt haben wir vor der enormen Höhe, die uns morgen mächtig fordern wird. Das feine und helle Schotterband, das sich links von der Mitte hochzieht, ist unser Aufstieg von morgen, resp der erste Teil der unendlich langen Abfahrt.
Das vierte und letzte Höhenlager liegt auf 4720 Metern. Nicht viel höher als das letzte Camp, jedoch wegen einer Zwischenabfahrt kommen 500 Höhenmeter zusammen. Anschliessend packen wir die Bikes auf unser Rucksack-Tragesystem und bringen diese zu Fuss bis auf 5200 Meter hoch. Die Bikes werden deponiert und zu Fuss geht es zurück ins Lager hinunter. Nun ist alles angerichtet für das erfolgreiche Erreichen des Gipfels.


Heute ist der Tag der Gipfelbesteigung. Fast 1200 Höhenmeter sind es bis zum Uhuru Peak (5895 m). Wir starten um 1 Uhr in der Nacht. Nach 500 Höhenmetern sind wir bei unseren Bikes. Unsere Träger unterstützen uns ab nun. Fahren ist hier nicht möglich, die Schritte sind bewusst klein. Die Höhe ist so gut zu verkraften. Dies ändert sich aber beim Kraterrand am Gilmans Point (5685 m). Auch wenn es nun deutlich flacher zum Stella Point (5744 m) geht, spüren die meisten die Höhe mehr und mehr. Wir erleben den faszinierenden Sonnenaufgang über dem Mawenzi Nebengipfel. Ein Moment, der geradezu magisch ist und uns Energie gibt für den Gipfelaufschwung.


Der Schlussteil ist im Prinzip wieder fahrbar. Allerdings kommt man sehr schnell und ziemlich intensiv in eine Sauerstoffschuld.


Um 6:30 Uhr ist es geschafft! Wir stehen auf dem höchsten Berg Afrikas und auf einem der 7 Summits. Es ist ein unglaubliches und unbeschreibliches Gefühl den höchsten freistehenden Berg der Welt zu erklimmen. Eindrücke, Erlebnisse und Emotionen können kaum Worte gefasst werden, dafür vereint diese Gipfelbefahrung zu viele Superlativen und Einzigartigkeiten…Ganz herzliche Gratulation euch allen!


Was nun folgt dürfte mit 4500 Tiefenmeter eine der längsten Abfahrten der Welt sein. Nach den Gletschern sliden wir durch vegetationslose Geröllfelder hinunter ins spärliche Grasland. Weiter durch buschiges Bergland mitten hinein in den Dschungel und schlussendlich durch die Bananen-Plantagen dem Tal entgegen. Bis auf ca 100-150 Tiefenmeter ist die Abfahrt für versierte Biker und bei guter Akklimatisation komplett fahrbar.
Ein sprichwörtlich atemberaubendes Erlebnis, dass sich tief in unser Bikerherz eingebrannt hat und uns für immer prägt. Ein Erlebnis das mit Worten kaum zu beschreiben ist! Wir haben Menschen kennen gelernt, Landschaften entdeckt, Naturerlebnisse genossen, ein Land gesehen und eine Höhenerfahrung gemacht, welche uns zutiefst beeindruckt hat. Danke euch allen (auch Richard und seinem ganzen Team), dass wir all dies zusammen erleben durften!

PS: Der Sauerstoff-Partialdruck auf dem Kilimanjaro ist nur halb so hoch wie auf Meereshöhe. Anschaulich sieht man dies an meinem Getränkebidon. Auf dem Gipfel (5895 m) habe ich den letzten Schluck genommen. Am Ende der Abfahrt, auf 1400 m, sah er dann so aus. Gut zu sehen wie viel weniger Luft wir bei jedem Atemzug zur Verfügung hatten.

Kommentare

Cornelia Brügger
14. Oktober 2023
Wer diese Reise in drei Worte fassten möchte: einmalig, unglaublich, unvergesslich - trifft es wohl am ehesten. Ein super Erlebnis mit super Betreuung von A-Z vom ganzen Team um Luki und Richard. Selbst in der ungemütlichen, hektischen und unsicheren Startphase blieben alle ruhig und lösungsorientiert - Hut ab! Vielen Dank allen die dies möglich gemacht haben!
Gunnar
13. Oktober 2023
Diese Tour ist alles andere als eine „Pauschalreise“. Sie gibt tiefe Einblicke in das Leben der Einheimischen, in die grandiose Leistung der Träger, Helfer und Köche, die diesen Trip überhaupt erst möglich machen. Ein großes Lob an Richard und Luki für die sehr professionelle Organisation trotz mancher Unvorhersehbarkeiten und den warm-herzigen Umgang mit allen Beteiligten. Es war sicherlich nicht meine letzte Reise mit Luki.....! Vielen Dank!
Domini
13. Oktober 2023
Es war und ist ein einmaliges, unglaubliches Erlebnis. Ich kann mich da Stephan nur anschliessen. Und trotz des Gebäckengpasses wurde sofort weitergeschaut mit Plan B und C. Einfach super Luki. Danke!
Stephan Ludescher
12. Oktober 2023
Es war ein unvergesslicher MTB Trip. Ich werde die Reise in guter Erinnerung behalten. Die Unterstützung des lokalen Teams war hervorragend. Die hilfsbereiten Träger, die gute und reichliche Verpflegung durch das Küchenteam, die ausgezeichnete Organisation und noch vieles mehr … alles war perfekt.

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