Kilimanjaro Gipfelbefahrung 2 (11. – 21. Oktober 2022)

Nach dem ich vorletztes Wochenende mit einer ersten Bikegruppe den Gipfel des Kilimanjaro erreichte, (Kilimanjaro Gipfelbefahrung (2. – 13. Oktober 2022)) hatte ich die Ehre, diese Herausforderung mit einer zweiten Gruppe – nur wenige Tage später – noch mal in Angriff zu nehmen. Das Gefühl den höchsten freistehenden Berg der Welt zu erklimmen ist magisch. Eindrücke, Erlebnisse und Emotionen sind einzigartig und habe ich in dieser Art nur am Kilimanjaro erlebt. Die enorme Höhe machte diese Tour zu einer «Bike-Höhen-Expedition» die ich bis anhin nur hier erfahren durfte. Dank der zweimaligen Befahrung innerhalb kurzer Zeit, gehe ich bei diesem Tourenbericht auch auf meine Erfahrungen, Erkenntnisse und Erlebnisse im Bereich der Höhenakklimatisation ein.


Die letzten Häuser der Bananen-Bauern liegen längst hinter uns. Es folgt dichteste Dschungel-Vegetation welche nach 1000 Höhenmetern langsam ins «Buschland» übergeht. Exakt hier – nach total 1500 Hm und auf einer Höhe von 2900 müM, liegt unser erstes Camp.
Akklimatisations-Erfahrung 1: Nach der ersten Kili-Befahrung verbrachte ich vier Nächte und drei Tage in Moshi auf 980 müM. Es gab vieles zu erledigen weshalb die Regeneration sekundär und bis zum Start der zweiten Tour nur unvollständig war. Ich war skeptisch, dass ich gegenüber der ersten Tour einen grossen Leistungsunterschied spüren werde, resp dass es einen markant grossen Akklimatisations-Unterschied geben wird. Schliesslich war ich auf der ersten Tour «nur» sechs Tage am Berg und keine zwei Wochen in der Höhe wie es zu meiner Rennfahrer-Zeit üblich war, wenn wir ein Höhentrainingslager absolvierten. An diesem ersten Tourentag spüre ich bis zur Camp-Höhe auf 2900 keinen Unterschied, einzig die folgende Nacht war deutlich besser/erholsamer.


Der zweite Tag führt uns auf einer steilen Piste ins Höhenlager auf 3700 Metern. Die Bäume sind inzwischen verschwunden und wir biken durch eine Steppenlandschaft. Tief unter uns das Nebelmeer, welches sich jeweils vormittags über dem Urwald bildet und am Abend wieder verschwindet. Die Niederschlagswahrscheinlichkeit wie die Niederschlagsmenge nehmen am Kilimanjaro mit zunehmender Höhe ab.
Akklimatisations-Erfahrung 2: Der Uphill ist unregelmässig mit etwa einem halben Dutzend steiler Rampen. Für diese Rampen wie auch für die hohen Höhen, habe ich eine andere Übersetzung montiert. Statt einem 32-er Kettenblatt fahre ich am Kili ein 30-er Blatt und statt der 45-er Kassette habe ich eine 51-er montiert. Bei Tour 1 musste ich in diesen Rampen den kleinsten Gang einlegen. Jetzt geht es nicht nur ein bis zwei Gänge härter, sondern ich spüre, dass ich deutlich mehr Zug habe. Die Atmung/Luftmenge fühlt sich neu auf 3700 müM an, wie ich es bei uns auf ca 2000 müM empfinde. Auch in dieser Nacht schlafe ich etwas besser als auf Tour 1.


Mit der Befahrung des riesigen Kibosattels gibt es heute einen Akklimatisations-Tag. Wir fahren von unserem Camp bis auf eine Höhe von 4470 Meter hoch. Im Angesicht des Mawenzi (5149 m), einem Nebengipfel des Kili, überqueren wir diese faszinierende Hochebene (sie liegt auf der Höhe des Matterhorn-Gipfels). Ein technischer und rasanter Downhill leitet uns wieder hinunter in unser Camp, wo wir nochmals auf 3700 müM übernachten.
Akklimatisations-Erfahrung 3: Der gesamte Uphill verläuft auf einem Trail. Die erste Challenge folgt bereits am Anfang. 300 Meter Distanz, mächtig steil mit Absätzen und Wasserrinnen. Bis anhin für mich nur im kleinsten Gang zu bewältigen (Übersetzung 30 / 51). Jetzt liegt die Kette satte zwei Ritzel tiefer (Übersetzung 30 / 39). Ich werde übermütig und pushe mein Bike berghoch – was man auf dieser Höhe eigentlich auf keinen Fall tun sollte! Der steilste Abschnitt folgt auf 4100 müM. Er ist zugleich der technisch anspruchsvollste. Letztes Jahr bin ich hier nicht hochgekommen, in der vergangenen Woche schaffte ich es gerade noch im kleinsten Gang und mit letzten Kraftreserven und der Atmung am Limit. Heute geht es nicht nur gefühlt deutlich einfacher, auch die Kette liegt «nur» auf dem zweit-kleinsten Gang (Übersetzung 30 / 45). Es ist motivierend die Rampen und Absätzen «hochzurocken». Ich bin gespannt, ob es für den Effort am nächsten Tag die Quittung gibt.


Heute biken wir im Angesicht des Kilimanjaro zu unserem ersten Hochlager auf 4550 müM. Aus der riesigen Steppenlandschaft türmt sich der Kilimanjaro immer noch 1500 Meter gen den Himmel. So schön das Wetter ist so kalt und garstig wird es 3 Stunden später sein. Wolkenverhangen und mit einem kurzen Graupelschauer werden wir am Ziel empfangen.
Akklimatisations-Erfahrung 4: Das Pushen am Vortag rächt sich tatsächlich. Die Beine konnten sich nicht vollständig erholen und ganz so elegant geht es heute nicht mehr berghoch. Es spielt keine Rolle, denn es läuft auch so noch besser als auf der ersten Tour. Gemäss meinen sportärztlichen Informationen regeneriert der Körper ab einer Höhe von 5000 müM nicht mehr und so nimmt die Regeneration, in unserem Basislager auf 3700, auch deutlich mehr Zeit in Anspruch.
Auf beiden Touren hatte ich ein Sauerstoffsättigungs-Messgerät dabei. Auch wenn die Toleranzen beim Messgerät etwas gross waren, so waren im Durchschnitt die Werte auf der zweiten Tour ca 3-4% höher und somit leicht besser. Das allgemeine Wohlbefinden in diesem Camp war viel besser als in der Vorwoche, der Schlaf war minimal besser.


Heute geht es nun endgültig an den Kilimanjaro. Wir fahren hinüber an den Fuss des Gipfelaufschwungs zum letzte Höhenlager auf 4720 Metern. Von hier bringen wir die Bikes zu Fuss bis auf 5200 Meter hoch, wo diese deponiert werden. Eine ideale Akklimatisations-Wanderung. Das helle Schotterband, ca in der Mitte des Aufschwungs, ist unsere Route Aufstiegsrouten zum Kraterrand.
Akklimatisations-Erfahrung 5: Die Beine sind gut erholt und die Aufstiege von heute fühlen sich an, als ob diese im Vergleich zur 1. Tour flacher geworden sind. Wiederum kann ich locker ein bis zwei Gänge härter fahren ohne dabei in eine Sauerstoffschuld zu fahren.


Heute erklimmen wir den Gipfel – den Uhuru Peak (5895 m). Der Start ist um 1 Uhr in der Nacht. Nach 500 Höhenmetern sind wir bei unseren Bikes. Unsere Träger unterstützen uns ab nun. Fahren ist hier nicht möglich und die Schritte sind bewusst klein. Via Gilmans Point (5685 m) geht es nun flacher zum Stella Point (5744 m). In diesem Moment zeichnet sich die Morgenstimmung ab. Der Sonnenaufgang läuft nahe am Äquator sehr schnell ab. Die Momente vor dem Aufgang sind allerdings so imposant wie ich dies in unseren Breitengraden nicht kenne. Der Horizont beginnt in einer gewaltigen Breite immer stärker rot zu leuchten, nun geht das Rot in ein immer intensiver werdendes Gelb hinüber. Es wird heller und heller und irgendwann erreichen uns die ersten Sonnenstrahlen. Vor uns die Kontur des Mavenzi der inzwischen 600 Tiefenmeter unter uns liegt. Von hier oben glaube ich gar die Erdkrümmung zu sehen. Magisch!


Die Gruppe ist inzwischen sehr gut akklimatisiert aber spätestens die letzten 200 bis 300 Höhenmeter fordern noch mal alles. Auch wenn diese zu den flachsten gehören. Dieser Schlussteil ist im Prinzip wieder fahrbar (Titelbild). Allerdings kommt man sehr schnell und ziemlich intensiv in eine Sauerstoffschuld. Die dünne Höhenluft schenkt hier mächtig ein denn der Sauerstoff-Partialdruck ist nur noch halb so hoch wie auf Meereshöhe! Um 6:30 Uhr ist es geschafft! Wir stehen auf dem höchsten Berg Afrikas und auf einem der 7 Summits. Ganz herzliche Gratulation euch allen und ein riesiges grazie mille für dieses einzigartige gemeinsame Bikeerlebnis!
Akklimatisations-Erfahrung 6: Auch auf den höchsten Höhen spürte ich noch einen beeindruckenden Leistungsunterschied. Es war mehr fahrbar als ich für möglich hielt. In den steilsten Abschnitten führte ich mich bewusst massiv in die Sauerstoffschuld. Die Atmung erholte sich jedoch markant schneller als ich dies bis anhin erfahren habe. Ich fühlte mich wohl und ausgesprochen vital. Es waren noch diverse Trecking-Gruppen am Berg und ich erlebte dabei ein «Schauspiel», welches mir wohl immer in Erinnerung bleiben wird. Es war als ob hier zwei Filme laufen würden welche übereinandergelegt sind. Während der eine Film in Zeitlupe läuft (sämtliche Personen am Gipfelplateau bewegten sich sehr langsam) war der andere Film mit mir in «Real-Time». Die knapp 6000 müM fühlten sich für mich an wie auf etwa 3500 bis 4000 müM. Entsprechend dynamisch konnte ich mich hier bewegen im Vergleich zu den anderen Gipfelbezwingern.


Was nun folgt ist mit 4500 Tiefenmeter eine der längsten Abfahrten der Welt. Bis auf 150 Tiefenmeter ist die Abfahrt für versierte Biker mit guter Akklimatisation komplett fahrbar.
Im Hintergrund die Gletscher, welche bereits unten vom Talboden zu erkennen sind. Gemäss Schätzungen sollen sie bis 2030 alle verschwunden sein.


Nach den Gletschern sliden wir durch ein gewaltiges Geröllfeld. Nach wie vor befinden wir uns weit über 5000 müM. Vor uns die gewaltige Ebene des Kibosattels mit dem Mawenzi im Hintergrund.


Weiter durch karges alpines Bergland kommen wir mehr und mehr zurück in die Vegetation. Spärliches Grasland geht über in buschiges Bergland und später mitten hinein in den Dschungel und schlussendlich durch die Bananen-Plantagen dem Tal entgegen.
Der Kilimanjaro, ein Erlebnis das uns für immer in Erinnerung bleibt und uns für immer prägt. Worte zu finden ist schwierig – zu viele Superlative gibt es bei dieser Tour! Tief beeindruckt ab all den Eindrücken und dieser gewaltigen Höhenerfahrung reisen wir zurück nach Europa. Vielen herzlichen Dank, dass wir das alles zusammen erleben durften!

Akklimatisations-Fazit: Während bei der ersten Tour die kleinere Übersetzung für mich zwingend notwendig war, wäre bei Tour zwei meine gewohnte Übersetzung durchaus fahrbar gewesen. Der Leistungsunterschied war viel grösser als ich dies für möglich hielt. Die Höhen in den einzelnen Camps fühlten sich im Vergleich zur Tour 1 um etwa 1000 bis 2000 Meter tiefer an. Der 3-Tägige Aufenthalt in tiefsten Lagen trug viel dazu bei, dass mein Körper ideal regenerieren konnte (trotz der Hektik). Die Höhenakklimatisation konnte sich mein Organismus trotzdem „merken“ und entsprechend deutlich vitaler und leistungsfähiger war ich als ich vier bis zehn Tage später wieder auf diese Höhen zurückkam.

 

Kommentare

4. November 2022
2 1/2 Wochen sind vergangen seit wir den Uhuru Peak, den Gipfel des Kilimanjaro, erreicht haben. Immer wieder holen mich die Erinnerungen an das Erlebte ein und ich versetze mich - viel öfter, als nach anderen Ferienunternehmungen - in Gedanken und anhand der Fotos nach Tansania zurück. Die Tour auf den Kilimanjaro war in verschiedener Hinsicht als Erlebnis einzigartig, angefangen bei der eindrücklichen Landschaft, die wir in den verschiedenen Klimazonen - von Dschungel bis Gletscher - erleben konnten. Highlight war dabei für mich neben dem Gipfeltag, der Flowtrail in der morgendlichen Kälte, aber bei blauem Himmel vom Mawenzi Camp hinunter zur Hochebene des Kibo-Sattels mit Blick auf den sonnenbestrahlten Kili - unsere Gruppe allein auf weiter Flur...! Entscheidend für den Genuss der Tour war zudem die professionelle Organisation durch Luki und vor Ort durch Richard und seine Leute. Von der top-Infrastruktur, dem täglich frisch gekochten Essen bis zum durchdachten Akklimatisierungskonzept, das konsequent umgesetzt wurde. Wie von Richard anfangs betont, waren wir alle eine Familie. Das Bemühen aller, dass es allen gut geht, war von Beginn weg zu spüren. Die Freude unserer Guides und Porters am Gipfel war denn auch gefühlt mindestens so gross wie bei uns selber. Nach 4'500 Hm Downhill an einem Tag waren der stimmungsvolle und emotionale Abschlussabend mit den Guides, Köchen und Portern auf Richards Farm und die Safari am darauffolgenden Tag der gelungene Abschluss der unvergesslichen Zeit in Tansania. Mein Dank geht an Luki, Richard und sein Team und unsere tolle Bike-Gruppe!
25. Oktober 2022
Experience of a lifetime! So kann diese ganz spezielle Luki Tour - die einem ausgeklügelten und bewährten Akklimatisations-Konzept entspricht - wohl am besten beschrieben werden. Bereits kurz nach der Ankunft finde ich mich bereits auf dem Weg durch verschiedene Klimazonen und Höhenlagen jenseits der 3000 Meter Grenze - immer mit nur einem Ziel vor Augen: Der Befahrung des Kilimanjaro! Möglich macht dies das lokale Team rund um Richard, das nicht nur täglich die benötigte Infrastruktur bereitstellt, sondern uns auch professionell (und kulinarisch) auf den "Summit Day" vorbereitet. Einige Tage später ist es dann soweit und ich befinde mich tatsächlich auf dem Gipfel des höchsten Berges Afrikas. Noch immer kann ich diesen hoch emotionalen Moment nicht richtig begreifen! Der Besuch auf Richards Farm ist der würdige Abschluss und bietet die Gelegenheit, um die vergangenen Tage nochmals Revue passieren zu lassen. Zusammen mit dem Team endete der Tag mit Liedern über den Kilimanjaro am Lagerfeuer. Für mich ein vollends gelungenes Bike-Abenteuer, das ich jeder Person weiter empfehlen kann, die genau diese einmaligen Erlebnisse sucht! Vielen Dank Luki und natürlich auch an die super Gruppe!
Esther
24. Oktober 2022
Wer sich gerne über die Komfortzone hinauswagt, Neues entdeckt und bikt, für den wird diese spezielle Biketour ein unvergesslich schönes Erlebnis. Selbst das garstige Wetter im einsamen Mawenzicamp, liess für mich eine wunderbare mystische Stimmung aufkommen. – Die gut durchdachte Organisation und perfekte Betreuung durch Luki und Richard vermittelte ein grosses Vertrauen, so dass der Traum ‘Kili mit Bike’ einfach wahr werden konnte. Vielen Dank!

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