Spektakuläre Gebirgslandschaften und geschichtsträchtige Trails (31. Juli – 7. August)

Zwischen den wilden Felsmassiven der Cima Argentera und Monaco liegen nur gerade 60 Kilometer. Im Norden sind es die 3000-er Felsmassive und im Süden das tiefblaue Meer der Côte d’Azur. Kurz bevor die Alpen das Meer erreichen, türmen sie sich noch mal mächtig auf und erwarteten uns mit viel Einsamkeit und purer Wildheit. Unterwegs auf den Trails von Händlern, Hirten, Sarazenen, Kriegern, Bauern, Römern und Königen erlebten wir Trailfaszination und die Geschichte einer ganzen Alpenregion.
Hier in den tiefsten Seealpen «erfahren» wir gerade ein Meisterwerkt hochalpiner Wegbautechnik. Alte Jagdwege führen ins hochalpine Block-Gelände. Im Angesicht des Argentera-Massiv (3297m) können wir kaum glauben was wir gerade sehen und erleben.


Nur wenige Täler der Alpen sind in der Vergangenheit so vereinsamt wie die Südtäler des Piemonts. Die Abwanderung hat gnadenlos zugeschlagen und hält bis heute an. Deshalb werden sie als die «schwarzen Täler der Alpen» bezeichnet. Viel treffender wären die «grünen Täler der Alpen». Denn was die Bauern in Jahrhunderte langer Arbeit der Natur abgerungen haben, holt diese sich seit 70 Jahren mehr und mehr zurück. Abgesehen von der Entvölkerung hat sich wenig verändert. Die moderne Landwirtschaft oder der Tourismus haben hier nie Fuss gefasst. Mitten im Wald stehen Geisterdörfer und erinnern uns an eine längst vergessene Zeit.


Mit 1400 Höhenmeter befahren wir einer der längsten Traill-Uphills den ich in kenne. Zuerst geht’s im Tal durch dichten Laubwald, später windet er sich aus einem tiefen Gebirgskessel berghoch und zum Schluss leitet er über offenes Karstgelände bis zum Alpenhauptkamm. Die Dimensionen beeindrucken. Kaum zu glauben was die Kriegsbaumeister hier im zweiten Weltkrieg erbaut haben. Der Weg entstand auf dem Trassee einer ehemaligen «Via Sale» auf welcher das kostbare Salz von der ligurischen Küste in die Poebene transportiert wurde. Es ist der erste grosse Uphill-Contest unserer Tour und zugleich der Beginn einer andauernden 40 Kilometer langen Singletrail-Fahrt.


An dieser Stelle, wo sich die Seealpen und die Ligurischen Alpen berühren, lebte einst das kaum bekannte Volk der Brigasker. Hier, in einer der dünnst besiedelten Regionen der Alpen, gibt es riesige Alpweiden. Da die Brigasker von der transhumanten Viehwirtschaft lebten, stellte diese Gegebenheit die wirtschaftliche Grundlage dar. Ihre Wege führen kunstvoll aus den tiefen Tälern, mit den völlig abgeschiedenen Dörfern, zu den hochgelegenen Weiden. Oft überwinden sie 1000 bis 1500 Höhenmeter und wurden dabei mit grösster Raffinesse ins steile Gelände hineingebaut. Der letzte Brigasker-Hirte stellte 1979 seine Arbeit ein. Geblieben ist ein verstecktes Wegenetz das uns mitten hinein in eine vergessene, unbekannte und tief beeindruckende Welt führt.
Im Hintergrund erkennen wir den Mont Bego – der «heilige Berg» der Ligurer und Kelten der bis heute, Dank dem Mercantour Nationalpark, seine Mystik bewahren konnte.


Am vierten Tag biken wir durch die höchsten Berge der Ligurischen Alpen. Nahe an der französischen Grenze wurden sie von den Italienern mit vielen Militärwegen «erschlossen». Vor uns liegt die Küste des Mittelmeers – Luftlinie nur 20 km entfernt knacken wir beinahe noch mal die 2000-Meter Marke. Fast senkrecht geht es um uns herum in die verwinkelten Täler hinunter.
Am Rande einer Störung gibt es heute ab der Mittagszeit immer wieder kurze Regen-Intervalle. Dank einigen Anpassungen im Zeitmanagement und an der Route kommen wir glimpflich durch und können die grössten Highlights, wie das Banditen Tälchen, auf trockenen Trails geniessen.


Im Mittelalter fielen vom Meer her immer wieder muslimische Sarazenen in diese unzugänglichen Gebirgstäler ein. Aufgrund dieser ständigen Bedrohung entstanden Fluchtrouten, auf denen wir heute unterwegs sind. Sie führen durch wilde Bergflanken, in entlegene Täler und hinein in unzugängliche Schluchten. Mit 3400 Höhenmeter gibt es am fünften Tag die Königsetappe. Die Aufstiege sind lang und die Aussichten entsprechend atemberaubend schön.


Drei Übergänge überwinden wir bis wir dieses atemberaubende Trailspektakel erleben dürfen. Es klickert und klottert wenn man mit dem Bike über die königlichen Jagdwege aus der Mitte des 19. Jahrhunderts fährt. Sie sind einzigartig im Alpenraum und wahre Kunstwerke! Wir sind im Argentera- Massiv. Diese Gebirgsregion ist vor etwa 450 Millionen Jahren entstanden und wurde rund 400 Millionen Jahre später in den Prozess der Alpenbildung mit einbezogen. Nach einer gefühlten Ewigkeit rauschen wir aus den tiefen Tälern hinaus. Wir kommen zurück aus einer anderen Welt. Es braucht Zeit all diese Eindrücke und Emotionen zu sortieren…
Der ganzen Bikegruppe und Urs unserem Betreuer und Koch ein riesiges “grazie mille” für diese atemberaubende Bikewoche. Einmal mehr war es mir eine riesige Freude mit euch zusammen einmalige Trails in einer spektakulären Bergwelt zu erleben und zu erfahren. Das waren Bikeemotionen pur!

Kommentare

Stefan Zimmermann
19. August 2021
lieber Luki, diese tolle Cross KOMBINATION auf unbekanntesten Schleichwege, Graten und Schluchten wilden Piemont/ Ligurien gibts so nur mit Dir !!! Welch ein Dschungel and Pfaden und alten Dörfer. Super sportlich. Wir waren ein tolles homogenes Team. Hurrah... ich brauche mehr davon. 100000 Danke Euch allen und vor allem Dir Luki, das du so was möglich machst. lg STEFAN

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