Wild, einsam und vergessen sind die knackigen Trails der Sarazenen. Auf geschichtsträchtigen Wegen bikten wir durch das ursprüngliche Hinterland der Côte d’Azur. Mitten in den Ligurischen Alpen, in den Seealpen und zum Schluss noch im Esterelgebirge erlebten wir „Trail-Materie“ vom Feinsten. Wir genossen fahrtechnische Herausforderungen in einer atemberaubenden Landschaft mit malerischen Dörfern, tiefen Schluchten, steilen Bergflanken und kargen Hochplateaus – und dies alles auf einem längst vergessenen Wegenetz.
Acht Kilometer lang zieht sich dieser Trail durch die steilen und felsigen Hänge. Es ist der alte Verbindungsweg ins Nachbardorf. Der Blick reicht zurück zum südlichen Alpenhauptkamm mit den schneebedeckten 2000-ern.
Am Hauptort der „Riviera dei Fiori“, im geschichtsträchtigen Sanremo, starten wir bei Sonnenschein zu unserem Abenteuer. Mitten durch die Altstadt „Pigna“ biken wir durch ein orientalisch anmutendes Gewirr von Durchgängen und Gassen. Im Mittelalter entstanden, waren die übereinander gebauten Häuser zugleich eine Befestigung gegen die Sarazenen. Schon nach 2 Minuten sind wir mittendrin in unserem Alpencross. Im Hinterland brauen sich Schauer zusammen. Die Stimmung am gegenüberliegenden ligurischen Hauptkamm wirkt bedrohlich. Wir werden aber nur am Rande gestreift – inklusive einem kurzen Schneeschauer. Dann ist der Spuk vorbei und auf endloslangen Trails rauschen wir dem Tal entgegen. Es scheint, als wären wir in einer Welt angekommen, wo die Uhren schon längst stillstehen.
Am südlichen Alpenhauptkamm gibt es besonders viele wilde und tief eingeschnittene Täler. In alle Himmelsrichtungen verlaufen diese und wirken wie ein riesiges Labyrinth. Viele von ihnen wurden einst „erschlossen“ und führen zu längst vergessenen Übergängen. Über solche historische Pässe tauchen wir am zweiten Tourentag mitten hinein in ein unglaublich faszinierendes Trail-Revier. Mit einer Wegebautechnischen Meisterleistung wurde im Mittelalter diese Schlucht begehbar gemacht. Der Legende nach flohen im 4. Jh. eine Gruppe von Banditen auf dieser Route aus den Seealpen, über den Alpenhauptkamm, in die verlassenen Täler der Ligurischen Alpen.
Die Orientierung geht heute schnell verloren, unzählige Trails reihen wir aneinander. Wir sind unterwegs auf der historischen Tendaroute. Der Tenda gilt als südlichster Pass der Alpen und schon zur Zeit der Ligurer hatte er einen grossen Stellenwert. Über Jahrhunderte und Jahrtausende war dies eine der wichtigsten Alptransitrouten und so wurde dieses Wegenetz immer wieder ausgebaut und in Stand gehalten. Nicht umsonst verstecken sich hier in den weitverzweigten Tälern die zweitgrösste Ansammlung an Felszeichnungen und Felspunsierungen der Alpen. Das Wegenetz ist schlicht atemberaubend. Immer wieder staunen wir ab der Wegebautechnischen Meisterleistung in diesem enorm steilen Gelände und erleben dabei oft atemberaubende Aussichten.
Nur wenige Kilometer von der Küste entfernt erwarten uns völlig entvölkerte Talschaften. Stundenlange Trails leiten uns durch stille Einsamkeit und später mitten durch ein Geisterdorf. Einst als Lebensraum begehrt lebt hier schon längst niemand mehr. Als die modernen Strassen kamen wurde es nicht erschlossen und geriet in dieser Abgeschiedenheit vollends in Vergessenheit.
Die Täler werden offener, die Böden karger, das Klima rauer und die Dörfer werden rar. Wir befinden uns in einer der wildesten Regionen des Alpenbogens. Die Abfahrten sind oft heissblütig und mit ordentlicher Rasse. Kaum vorstellbar, dass die mondänen Orte wie Menton, Monaco, Nizza oder Cannes so nah sind. Hier im Hinterland lebt sich ein anderes Leben. Diese Trails waren einst wichtige Verbindungsrouten zwischen den Dörfern. Heute sind wir alleine auf ihnen unterwegs und erleben die südlichsten Alpen in ihrer ursprünglichen Form.
In den tiefen Tälern hat der Frühling längst Einzug gehalten. In den Bergen liegt so wenig Schnee wie ich es bis anhin noch nie gesehen habe. In hohem Tempo rauschen wir dem Meer entgegen. Ein weiteres Mal hat sich Vegetation und Geologie verändert. Der intensive Duft der Vegetation, roter Fels und Eukalyptus-Bäume sind Zeichen dass wir im Esterelgebirge angekommen sind.
So viel Einsamkeit hätte an der Côte d‘Azur wohl kaum jemand erwartet. Und dann noch diese Trails…! Der erste Alpencross der Saison war bereits ein Trailfeuerwerk der grossen Extraklasse.
Grazie mille an alle „Trail-Rocker/innen“ dass wir zusammen diesen „Sarazenen-Cross“ erleben durften.
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